Post by Gabriel on Oct 2, 2016 11:20:34 GMT
Moin,
wieder ein Review aus dem Archiv (damals aus den 5-Blickwinkel-Reviews):
...Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Jetzt gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.
Herder 1922 Kochmesser 23cm
Auf das Messer war ich sehr gespannt. Habe ich doch extra nachträglich noch darum gebeten, dass zumindest ein Exemplar in unseren Testzirkel mit aufgenommen wird. Schon seitdem ich vor Jahren albinos Review zu dem Messer gelesen hab, bin ich an dem Messer interessiert. Ein deutsches Serienkochmesser, welches sich von den Schneideigenschaften mit japanischen Gyutos messen können soll? Das klang für mich schon fast unglaubwürdig
Ob es diese hohen Erwartungen erfüllt, wird sich zeigen…
Verarbeitung & Finish
Der erste Eindruck war in etwa „das ist aber ein besonders schönes klassisches Kochmesser“. Der Griffverarbeitung habe ich besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Man muss schließlich nicht erwähnen, dass dies doch als Achilles-Ferse der Herders gilt. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich durch mein Herder Grandmoulin durchaus auch schon positive Erfahrungen, durch andere Messer aber auch durchaus negative Erfahrungen zu der Verarbeitung höherpreisigerer Herder-Messer machen durfte/musste – mit der Hauptgrund, dass ich es nicht schon lange gekauft hab. Das 1922er Exemplar hier enttäuscht in der Hinsicht nicht. Wie Pflaster schon ausführlich gezeigt hat, finden sich keine großartigen Spalte. Eine deutliche Asymmetrie des Griffs interpretiere ich inzwischen (nach Ansicht mehrerer Exemplare) durchaus als absichtliche Griffgestaltung und nicht als Fertigungsfehler. Bei genauerer Betrachtung des Griffs fielen dann doch leichte Grate und winzige Spalten auf. Das Holz des Griffs kam bei mir etwas „trocken“ an, nach einer kleinen Kur mit dem mitgelieferten Holzöl (welches ich übrigens sehr schätze, nicht nur weil es nach Zitronenkuchen duftet ) sah das schon besser aus. Das Messer ist eben nicht neu…
Das Finish und die sonstige Verarbeitung der Klinge ist sauber, da gibt es nichts zu meckern! Das fast polierte Klingenfinish wirkt sehr hochwertig (wenn mir auch mitgeteilt wurde, dass eine vorige Gebrauchspatina mittels eines speziellen Edelstahlreinigers entfernt wurde). Da ich glücklicherweise gerade auch ein nagelneues Herder 1922 – dazu später mehr – da hab, konnte ich den direkten Vergleich zwischen den beiden Messern und Gebrauchszuständen ziehen. Insgesamt hinterlässt das Messer hier einen (fast schon überraschend) positiven Eindruck, auch wenn gewisse Schwankungen im Klingenprofil durchaus erkennbar sind. Der Griff des neuen 1922 ist ebenfalls spaltfrei verarbeitet.
Klingengeometrie
Hier war ich sehr gespannt, wie sich das 1922 schlägt. Zumal der Klingenrücken doch recht stabil wirkt und das Gewicht des Messers auch als solide bezeichnet werden kann. Umso erfreulicher, wenn auch schon aufgrund zahlreicher Erfahrungsberichte bekannt, zeigt sich das 1922 mit einer schön dünn ausgeschliffenen Geometrie, die zwar jetzt nicht mit den Laserkandidaten à la Suisin, Konosuke, Ashi mithalten kann, aber im Hinblick auf ausgeglichene Eigenschaften als sehr gut bewertet werden kann.
Klingenprofil
Wie für ein deutsches Kochmesser nicht anders zu erwarten, orientiert sich das 1922 in Punkto Klingenprofil an klassischen europäischen Vorbildern. Das Messer ist für den Wiegeschnitt hervorragend geeignet. Für das Choppen von Gemüse eignen sich flachere japanische Gyutoprofile mit ausgeprägtem „sweetspot“ IMHO besser. Jedoch sind auch Zug- und Druckschnitt kein Problem für das 1922.
Die Größe des Kochmessers empfinde ich persönlich als nahezu perfekt (da wir grad das Thema hatten hier )! Bietet es einen hervorragenden Kompromiss aus Handlichkeit und ausreichender Größe, damit auch große Gemüse(mengen) effizient verarbeitet werden können.
Lediglich den Kropf würde ich mir wegwünschen. Auch wenn er im Gebrauch durch die saubere Verarbeitung, Rundung und das Brechen der kritischen Kanten nicht so störend wirkt, wie bei anderen Messers ähnlicher Bauart.
Schnitthaltigkeit und Reaktivität
Das Messer kam mit gering ausgeprägter Patina und guter Schärfe bei mir an. Prinzipiell ziehe ich dennoch alle Messer erstmal ab, um auch frischen Stahl zu exponieren und mir ein Bild über die Reaktivität zu machen. Diese würde ich beim 1922 als „erwartungsgemäß“ oder „gewöhnlich“ bezeichnen. Erfreulicherweise zeigten sich nur sehr geringe Reaktionserscheinungen am Schnittgut (an Zwiebeln ein bisschen). Insgesamt fällt die Reaktivität aber nicht negativ auf. Gestank, wie ich ihn manchmal bei den ersten Benutzungen eines neuen Herders oder eines Opinel (dort noch mehr) feststelle, trat glücklicherweise nicht auf. Nichtsdestotrotz verlässt mich das Herder mit etwas mehr Patina als es gekommen ist.
Der Kohlenstoffstahl erfüllt ebenfalls meine Erwartungen. Mit meinem Chosera 1000 und anschließenden entsprechenden Finishsteinen konnte ich das Messer im Nu auf haarspalterische Schärfe bringen. Die Standzeit hat ebenfalls nicht enttäuscht. Nach der Zubereitung min. 10 Gemüse-lastiger und schneidintensiver Gerichte (jeweils 2 Portionen) war die Schärfe immer noch ausreichend zur Armhaarrasur.
Fazit
Das Fazit zum Herder 1922 fasse ich kurz… nach ca. einer Woche in meiner Obhut habe ich – als bekanntermaßen fast ausschließlicher Fan japanischer Küchenschneidwaren - mir selbst ein Herder 1922 23cm Kochmesser gekauft!
Für meine Begriffe bei aktuell aufgerufenem Preis das Preis-Leistungs-technisch attraktivste Angebot eines Allround-Küchenmessers überhaupt!
Vielen Dank fürs Testen dürfen!
Zum Abschluss gibt es noch ein paar Bilder vom Testexemplar im Vergleich zu meinem neuen 1922 aus der Packung...
Update:
Ich fand das 1922 ein wirklich super... extrem leicht schärfbar, für etwas angepasste Schnitttechnik in Richtung Wiegeschnitt schönes Profil, gute Geometrie, sehr schöne Haptik (bei meinem Exemplar jedenfalls). Dennoch durfte es mich nach einiger Zeit dann wieder verlassen, da es sich durch das Profil (was nicht 100% zu meinen Gewohnheiten passt) und den Kropf (der mich beim Schärfen auf dem Stein etwas nervt) nicht wirklich gegen die Konkurrenz behaupten konnte. Aber nichtsdestotrotz würde ich es immer wieder vorbehaltlos - mit kleiner Empfehlung einen spaltfreien Griff auszusuchen - empfehlen!
Gruß, Gabriel
wieder ein Review aus dem Archiv (damals aus den 5-Blickwinkel-Reviews):
...Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Jetzt gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.
Herder 1922 Kochmesser 23cm
Auf das Messer war ich sehr gespannt. Habe ich doch extra nachträglich noch darum gebeten, dass zumindest ein Exemplar in unseren Testzirkel mit aufgenommen wird. Schon seitdem ich vor Jahren albinos Review zu dem Messer gelesen hab, bin ich an dem Messer interessiert. Ein deutsches Serienkochmesser, welches sich von den Schneideigenschaften mit japanischen Gyutos messen können soll? Das klang für mich schon fast unglaubwürdig
Ob es diese hohen Erwartungen erfüllt, wird sich zeigen…
Verarbeitung & Finish
Der erste Eindruck war in etwa „das ist aber ein besonders schönes klassisches Kochmesser“. Der Griffverarbeitung habe ich besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Man muss schließlich nicht erwähnen, dass dies doch als Achilles-Ferse der Herders gilt. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich durch mein Herder Grandmoulin durchaus auch schon positive Erfahrungen, durch andere Messer aber auch durchaus negative Erfahrungen zu der Verarbeitung höherpreisigerer Herder-Messer machen durfte/musste – mit der Hauptgrund, dass ich es nicht schon lange gekauft hab. Das 1922er Exemplar hier enttäuscht in der Hinsicht nicht. Wie Pflaster schon ausführlich gezeigt hat, finden sich keine großartigen Spalte. Eine deutliche Asymmetrie des Griffs interpretiere ich inzwischen (nach Ansicht mehrerer Exemplare) durchaus als absichtliche Griffgestaltung und nicht als Fertigungsfehler. Bei genauerer Betrachtung des Griffs fielen dann doch leichte Grate und winzige Spalten auf. Das Holz des Griffs kam bei mir etwas „trocken“ an, nach einer kleinen Kur mit dem mitgelieferten Holzöl (welches ich übrigens sehr schätze, nicht nur weil es nach Zitronenkuchen duftet ) sah das schon besser aus. Das Messer ist eben nicht neu…
Das Finish und die sonstige Verarbeitung der Klinge ist sauber, da gibt es nichts zu meckern! Das fast polierte Klingenfinish wirkt sehr hochwertig (wenn mir auch mitgeteilt wurde, dass eine vorige Gebrauchspatina mittels eines speziellen Edelstahlreinigers entfernt wurde). Da ich glücklicherweise gerade auch ein nagelneues Herder 1922 – dazu später mehr – da hab, konnte ich den direkten Vergleich zwischen den beiden Messern und Gebrauchszuständen ziehen. Insgesamt hinterlässt das Messer hier einen (fast schon überraschend) positiven Eindruck, auch wenn gewisse Schwankungen im Klingenprofil durchaus erkennbar sind. Der Griff des neuen 1922 ist ebenfalls spaltfrei verarbeitet.
Klingengeometrie
Hier war ich sehr gespannt, wie sich das 1922 schlägt. Zumal der Klingenrücken doch recht stabil wirkt und das Gewicht des Messers auch als solide bezeichnet werden kann. Umso erfreulicher, wenn auch schon aufgrund zahlreicher Erfahrungsberichte bekannt, zeigt sich das 1922 mit einer schön dünn ausgeschliffenen Geometrie, die zwar jetzt nicht mit den Laserkandidaten à la Suisin, Konosuke, Ashi mithalten kann, aber im Hinblick auf ausgeglichene Eigenschaften als sehr gut bewertet werden kann.
Klingenprofil
Wie für ein deutsches Kochmesser nicht anders zu erwarten, orientiert sich das 1922 in Punkto Klingenprofil an klassischen europäischen Vorbildern. Das Messer ist für den Wiegeschnitt hervorragend geeignet. Für das Choppen von Gemüse eignen sich flachere japanische Gyutoprofile mit ausgeprägtem „sweetspot“ IMHO besser. Jedoch sind auch Zug- und Druckschnitt kein Problem für das 1922.
Die Größe des Kochmessers empfinde ich persönlich als nahezu perfekt (da wir grad das Thema hatten hier )! Bietet es einen hervorragenden Kompromiss aus Handlichkeit und ausreichender Größe, damit auch große Gemüse(mengen) effizient verarbeitet werden können.
Lediglich den Kropf würde ich mir wegwünschen. Auch wenn er im Gebrauch durch die saubere Verarbeitung, Rundung und das Brechen der kritischen Kanten nicht so störend wirkt, wie bei anderen Messers ähnlicher Bauart.
Schnitthaltigkeit und Reaktivität
Das Messer kam mit gering ausgeprägter Patina und guter Schärfe bei mir an. Prinzipiell ziehe ich dennoch alle Messer erstmal ab, um auch frischen Stahl zu exponieren und mir ein Bild über die Reaktivität zu machen. Diese würde ich beim 1922 als „erwartungsgemäß“ oder „gewöhnlich“ bezeichnen. Erfreulicherweise zeigten sich nur sehr geringe Reaktionserscheinungen am Schnittgut (an Zwiebeln ein bisschen). Insgesamt fällt die Reaktivität aber nicht negativ auf. Gestank, wie ich ihn manchmal bei den ersten Benutzungen eines neuen Herders oder eines Opinel (dort noch mehr) feststelle, trat glücklicherweise nicht auf. Nichtsdestotrotz verlässt mich das Herder mit etwas mehr Patina als es gekommen ist.
Der Kohlenstoffstahl erfüllt ebenfalls meine Erwartungen. Mit meinem Chosera 1000 und anschließenden entsprechenden Finishsteinen konnte ich das Messer im Nu auf haarspalterische Schärfe bringen. Die Standzeit hat ebenfalls nicht enttäuscht. Nach der Zubereitung min. 10 Gemüse-lastiger und schneidintensiver Gerichte (jeweils 2 Portionen) war die Schärfe immer noch ausreichend zur Armhaarrasur.
Fazit
Das Fazit zum Herder 1922 fasse ich kurz… nach ca. einer Woche in meiner Obhut habe ich – als bekanntermaßen fast ausschließlicher Fan japanischer Küchenschneidwaren - mir selbst ein Herder 1922 23cm Kochmesser gekauft!
Für meine Begriffe bei aktuell aufgerufenem Preis das Preis-Leistungs-technisch attraktivste Angebot eines Allround-Küchenmessers überhaupt!
Vielen Dank fürs Testen dürfen!
Zum Abschluss gibt es noch ein paar Bilder vom Testexemplar im Vergleich zu meinem neuen 1922 aus der Packung...
Update:
Ich fand das 1922 ein wirklich super... extrem leicht schärfbar, für etwas angepasste Schnitttechnik in Richtung Wiegeschnitt schönes Profil, gute Geometrie, sehr schöne Haptik (bei meinem Exemplar jedenfalls). Dennoch durfte es mich nach einiger Zeit dann wieder verlassen, da es sich durch das Profil (was nicht 100% zu meinen Gewohnheiten passt) und den Kropf (der mich beim Schärfen auf dem Stein etwas nervt) nicht wirklich gegen die Konkurrenz behaupten konnte. Aber nichtsdestotrotz würde ich es immer wieder vorbehaltlos - mit kleiner Empfehlung einen spaltfreien Griff auszusuchen - empfehlen!
Gruß, Gabriel