Post by Fabstar on Oct 25, 2017 11:42:58 GMT
Hallo,
ich war letzte Woche mit einem Freund bei einem Schärfseminar von Ralf Jahn, dem Inhaber der Wasserkraft Messermanufaktur Solingen (vormals: Schärfschule SchnittKultur Solingen).
Vorab: Wie den beworbenen Kursen zu entnehmen ist, sollte das Seminar 4 Stunden dauern (14-18 Uhr) bei einer maximalen Teilnehmerzahl von 8 Leuten. Das ganze für 99,95 €
Treffpunkt in Solingen war der Wipperkotten, in dem Ralf Jahn noch heute seine Messer schleift. Bei wunderschönem Wetter war das wirklich ein toller Anblick und ein fantastisches Ambiente.
Nachdem kurz nach zwei alle Teilnehmer eingetrudelt waren (nu na... warum sind denn so viele Leute hier??), begrüßte uns Ralf sehr freundlich und teilte uns zunächst mit, dass aufgrund des neuen Internetauftritts ein technischer Fehler unterlaufen sei und der Kurs auf zwei Websites angeboten wurde, weshalb nun die doppelte Anzahl an Teilnehmern anwesend seinen. Dies stelle aber für Ihn kein Problem dar, das bekommen "wir" ebenso gut hin... Hmm... wenn er meint, dachte ich mir da...
Nachdem wir einen kurzen Blick in den Wipperkotten werfen durften, ging es ein paar Meter weiter in einen Schulungsraum (Ambiente Klassenzimmer). Hier saßen wir an Zweiertischen. Jeder Teilnehmer bekam einen blauen belgischen Brocken (BBB) und später noch einen Kombischleifstein 1000/2000 - Marke unbekannt (hierzu gleich noch mehr). Als erstes eröffnete uns Ralf, dass der Beamer defekt sei. Er hatte einen Laptop dabei. Dieser wurde später für ein USB-Mikroskop verwendet.
Nachdem jeder seinen ausgenudelten blauen belgischen Brocken vor sich hatte sowie eine Sprühflasche zum bewässern der Steine, erläuterte Ralf uns kurz (!!) ein wenig theoretisches Wissen über das Schleifen bzw. Schärfen von Messern auf Banksteinen. Anschließend führte er uns die Bewegungen vor, mit denen man Messer freihand auf Banksteinen schärft (erinnerte mich stark an die Technik, die BastlWastl auf seinen Videos verwendet). Auf meine Nachfrage, dass es ja nun durchaus mehrere Techniken gäbe, meinte er, dass da viel im Internet an Youtube-Videos existiere, von dem man aber vieles ganz schnell vergessen solle, da diese gezeigte Technik, die nachweislich (!!??) beste wäre. Von Schärfen in verschiedenen Abschnitten auf der Klinge halte er z.B. gar nichts... Nun gut, ich habe mich da einfach mal drauf eingelassen, wobei es mir doch schwer gefallen ist, von meinem gewohnten Ablauf abzurücken. Aber es ging ja auch weniger um mich. Habe meinen Bogdan, da funzt das eh von alleine
Im Anschluss an seine doch wirklich sehr kurze Vorführung, sollten wir doch einfach mal ausprobieren. Jeder hat seine eigenen Messer dabei gehabt. Ich stelle mir gerade vor, wie man sich da ohne das jemals gemacht zu haben eine sehr fein ausgeschliffene Schneide hätte ruinieren können. Aber außer einem Xerxes von meinem Kumpel (das bei Ralf Jahn im Übrigen eine sehr hohe Beachtung bekommen hat!) war da nur Solinger Standard und VG10 vorhanden. Also nichts, was nicht ohnehin schon eine zu dicke Wate gehabt hätte. Meinem Freund habe ich eingebläut, das Xerxes nicht zu misshandeln...
Es schrubbten also alle drauf los, wie man es für richtig hielt. Ralf ging dann einmal durch die Reihen, blieb bei jedem einmal stehen und korrigierte die Technik. Danach sollten wir, wenn wir meinten die Technik einigermaßen verinnerlicht zu haben, auf dem groben Kombistein wechseln und dann mit einem Grundschliff beginnen (von ihm jetzt nur im Ansatz erläutert). Die Steine, die uns da vorgesetzt wurden waren in meinen Augen gelinde gesagt eine Frechheit. Ich weiß nicht was das war. Aber es war nicht schön. Das waren uralte Steine (die nach eigener Aussage von ihm schon lange nicht mehr verkauft werden würden...). Die Steine mussten lange wässern und bildeten nie einen Wasserfilm auf der Oberfläche - geschweige denn einen Schleifschlamm, sodass das die ganze Zeit ein sehr raues, schruppiges Schleifgefühl war. Das musste bei den Steinen wohl so, meinte er... Feedback war entsprechend grauenhaft. Die Steine würde ich nicht mal verschenken, geschweige denn in einem 100 € teuren Kurs den Teilnehmern zum Üben vorsetzen. Ok, man konnte halt nicht viel daran kaputt machen...
Wenn wir meinten, das keine Riefen oder Ausbrüche mehr zu erkennen waren (über Gratbildung wurde nur kurz aufgeklärt), sollten wir dann zurück auf den BBB. Der BBB war dermaßen ausgenudelt, dass mit bloßem Auge eine Kuhle erkennbar war. Ralf erläuterte, dass beim Schärfen von Rasiermessern eine planer Stein notwendig sei. Für Küchenmesser sei dies aber nicht nötig... Aha, dachte ich mir, wenn ich das hier zähle, bekommen sicherlich die Experten unter uns Schweißausbrüche...
Am Rande sei bemerkt, dass wir zwischendurch noch eine kurze Pause gemacht haben, in der Ralf uns den Wipperkotten gezeigt und erklärt hat, was eigentlich ganz interessant war!
Zurück zu den Steinen.... Wenn wir der Meinung waren, dass die Messer in unseren Augen scharf seien, sollten wir nach vorne kommen. Hier hat er die Messer noch mit einem Leder abgezogen und mit dem Mikroskop kontrolliert (zumindest die ersten zwei. Den Rest konnten wir selber machen). Mit dem Xerxes hat er auch mal eine Tomate geschnitten und war beeindruckt.
So wirklich Hilfestellung hat er ansonsten nicht gegeben (außer auf Nachfrage). Ansonsten hat er ein wenig was erzählt. Für mich war das alles nichts neues und mein Freund meinte nur, dass er da gerne noch mehr Theorie z.B. über die Körnungen oder Winkel bekommen habe. Er selbst meinte übrigens, dass er seine Wasserkraft Messer auf 9 oder 10 Grad pro Seite schleift und man das tunlichst so fortführen sollte für ein optimales Schneidergebnis. Winkel von 36° Grad, wie häufig empfohlen wird, kann er in keinem Fall empfehlen...
Als alle meinten - oder er das meinte - dass alle Messer doch jetzt spürbar schärfer wären (ein super Kurs wären wir gewesen), war die ganze Veranstaltung gegen kurz nach 17 Uhr zu Ende. Ach ja, vorher hat er noch jede Menge Bestellungen für Schleifequipment entgegen genommen...
Ich weiß ja nicht, ob es eine allgemeingültige Definition von "scharf" gibt, aber was da als scharf tituliert wurde (ok, Papier konnten man mit den meisten Messern schneiden), wäre für mich Anlass gewesen, meinen Bogdan zu bemühen und einen ordentlichen Grundschliff mit 1000er Körnung beginnend anzusetzen.
Fazit:
Wie man meinem Bericht entnehmen konnte, war ich alles andere als begeistert. Gut, ich bin natürlich auch schon vorbelastet gewesen. Aber auch mein Freund ohne Vorkenntnisse (zum Glück hatte er seinen eigenen 1000/4000 Kombistein von JMS dabei) war nicht begeistert von dem Kurs. Jedoch konnte er nun meine Begeisterung für das Schleifen an sich nachvollziehen und möchte das gerne weiter fortführen.
Was mich wirklich geärgert hat, war die Tatsache, dass man nicht das bekommen hat, wofür man bezahlt hat. Es waren doppelt so viele Teilnehmer anwesend (das bedeutet gleichzeitig halb so viel Aufmerksamkeit durch Ralf, wobei ich mich frage, ob ich die wirklich bei kleinerer Teilnehmerzahl bekommen hätte), das Equipment war unter aller Sau - das muss ich so deutlich sagen - und die Veranstaltung ging statt drei nur vier Stunden. In der zusätzlichen Stunde hätte man noch ganz viel praktische Theorie und das Schärfen langsam Schritt für Schritt vermitteln können.
Bezüglich der doppelten Teilnehmerzahl hätte ich zumindest erwartet, dass Ralf uns ein wenig von den Teilnahmegebühren erstattet oder irgend ein sonstiges Goodie verteilt hätte als Ausgleich... Nichts... Fand ich echt schwach.
Den Kurs würde ich so niemandem empfehlen. Da lernt man hier in Kombination mit Youtube deutlich mehr - auch ohne dass jemand daneben steht.
Insgesamt also eine klare Enttäuschung!
VG
Fabstar