Vorstellung Pallarès Solsona - Eine Familie aus Katalonien.
Oct 26, 2016 20:22:26 GMT
kuerbiskopf and benras like this
Post by Spitzweg on Oct 26, 2016 20:22:26 GMT
(Aus meinem Archiv. Aber um der Vielfältigkeit willen gerne auch hier eingestellt. Achtung, da alle ursprünglichen Vorstellungs-Postings hier zusammengefügt sind wird es etwas länger ;-) )
Hallo!
Nachdem ich in früheren Zeiten schon einmal dieses Messer besaß, in einem Forumsbeitrag daran erinnert wurde und es spontan wieder bestellte, möchte es nun hier aus meiner Sicht gerne vorstellen.
Es ist aus der Küchenmesserserie des spanischen Familienunternehmens www.pallaressolsona.com, die in der dritten Generation ihrer mittlerweile knapp einhundertjährigen Geschichte so Einiges rund um Haushalt/Küche/Landwirtschaft etc. traditionell in anteiliger Handarbeit herstellen.
Es gibt verschiedenen Versionen/Größen, meines ist eins mit der bauchigeren Klinge in der 13cm-Längenversion.
Erst einmal die nüchternen technischen Eckdaten:
- Materialien: Griff Buchsbaum, Zwinge Stahlblech verchromt, Klinge Carbonstahl XC65
- Gesamtlänge: 23,7cm (davon Griff 10,2cm, Klinge gesamt 13,5cm, davon ca. 12,5cm scharfe Schneide)
- Der runde Griff an der kräftigsten Stelle im Durchmesser: 22mm, zur Klinge hin verjüngt er sich bauchig/konisch, die Zwinge selbst hat dann einen Durchmesser von 14mm
- Gewicht: ca. 80gr (der Schwerpunkt liegt dabei vorn am Ende der Zwinge)
- Klingenhöhe max. 30mm, mit beidseitig balligem Anschliff auf null (eine eigens geschliffene Scheiden-Fase ist nicht auszumachen), Klingenrücken max. etwas über 2mm stark.
Die nachfolgenden Bilder zeigen nicht den gelieferten Originalzustand (dazu kann man natürlich bei Bedarf einiges im Netz finden), sondern das Messer nach Bearbeitungen, wie ich sie nach meiner Lust und Laune bzw. persönlichen Vorlieben dann vorgenommen habe.
Dazu aber später mehr.
Zum Originalzustand selbst, wie es bei mir ankam:
Griff OK, keine Macken oder gar Risse (nur sehr feine an den kleinen Astmaserungen), die Klinge ist in der offenen, runden Bohrung nicht ganz 100% gerade eingesetzt (sieht man aber nur beim genauen Hinsehen in der Verlängerung und hat auch für den Gebrauch keine weitere Relevanz), die Fixierung mit der Drahtstiftniete sitzt, da wackelt nix.
Am Klingenrücken/Kehl sind die Kanten noch recht scharf, allerdings keine Stanz-Grate oder so etwas. (Klingenrücken/Kehl wurde natürlich mit ein paar Schnipseln Schleifpapier in ein paar Minuten als Erstes verbessert bzw. gerundet)
An der Oberseite stößt der Klingenrücken direkt und in der Höhe bündig an die Zwinge, unten dagegen ist zwischen Klinge und Zwinge ein kleiner Spalt von knapp 1mm.
Ist hier einfach so. Basta.
Der werksseitige, ballige Grundschliff ist OK, gegen das Licht sieht man leicht Unregelmäßigkeiten, halt Handarbeit. Die Werksschärfe ist ebenfalls schon so einigermaßen OK, aber da geht an diesem Stahl noch wesentlich mehr...
Also alles Dinge, die zartbesaitete Gemüter eventuell nervlich nicht aushalten werden, und denen, die feinste, saubere Handwerkskunst in Vollendung erwarten, kann ich nur raten: Don´t drop the Button! ;-)
Aber vorab schon einmal die drei Punkte warum ich mich für dieses Messer wieder spontan begeistern kann:
- Die für mich in der Gesamtheit stimmige, elegante Linienführung.
Und dabei ist es eben kein neu von irgendeiner Marketing-Abteilung ausgedachtes Design-Lifestyleprodukt, sondern diese hat sich so über Jahrzehnte im Gebrauch von tausenden spanischen Küchen/Haushalten entwickelt und offenbar bewährt.
- Das Gefühl, wenn man es in die Hand nimmt.
Es ist sofort wie beim altvertrauten Schraubenzieher aus Opas Werkzeugkiste und löst instinktiv dieses "OK, was gibt´s zu tun?"-Gefühl aus.
Es wirkt - auch gerade bei dieser Größe - wie eine natürlich Verlängerung der Hand.
Dazu trägt sicherlich auch der neutrale Schwerpunkt und das für die Größe nicht allzu geringe Gewicht bei.
- Drittens (aber das ist bisher nur eine Erinnerung aus dem früheren Besitz):
Es funktioniert einfach gut. Die Schneide kann richtig behandelt sehr scharf werden, ist aber dabei umgekehrt nicht sonderlich empfindlich.
Und einfach das Format.
Das ist sehr vielseitig. Die meisten Sachen können damit gemacht werden.
Es war damit früher über einen ganzen Zeitraum fast mein einzig gebrauchtes Küchenmesser.
Auch dabei ein nicht ganz unwichtiger Punkt: Anders als bei vielen in diesem Größenbereich vertretenen Messern (Petty-Format), lässt der Abstand Griffangel zur Schneide durchaus im kleineren Rahmen eine Art Wiegeschnitt zu.
(Weswegen ich mir es auch wieder gekauft haben: Es soll nämlich mein "Universal-Küchenmesser" für die Urlaubsreisen werden. Denn es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein: In den Küchen von Ferienwohnungen (dort landen wir meisten bei unseren Familienurlauben mit den Kindern) findet man zwar alles Mögliche, nur GARANTIERT kein einigermaßen gescheites Küchenmesser ;-) )
Nun aber erst einmal ein Gesamtbild der schlichten Eleganz:
Und nun zu den beiden Bestandteilen, die ich für mich noch einmal angepasst/verändert habe.
Zum Einem der Griff.
Dieser ist aus Tradition bei diesen Messern aus Buchsbaumholz. Darüber bin ich gestolpert, warum ausgerechnet das garantiert nicht billigste Nutzholz?
Habe dazu im Netz ein wenig gestöbert und Folgendes: Buchsbaum ist das härteste (europäische) Holz. Das wußte ich in dieser Klarheit noch gar nicht.
Es ist sehr dicht, geschlossen/feinporig, läßt sich in allen Richtungen glatt bearbeiten, weswegen es in früheren Zeiten auch bei speziellen, eher technischen Verwendungen genutzt wurde. Z.B. die Holzlettern für den Buchdruck wurden daraus gefertigt.
Und es hat aber noch eine weitere, prägnante Eigenschaft: Es benötigt eine sehr lange Austrocknung, schwindet dabei auch sehr stark (mit 27 – 28% die höchste aller bekannten Nutzhölzer), hat dann aber nach richtiger Ablagerung die Eigenschaft kaum noch auf unterschiedliche Umgebungsfeuchten zu reagieren und bleibt dabei dimensionsstabil.
Aha!, also schon einmal alles andere als eine schlechte Auswahl des Griffmaterials für ein robustes Küchenmesser...
Unabhängig davon, mir gefällt dieses hell-gelbe Holz mit seinem eher dezenten aber gleichzeitig doch sehr lebendigen Maserungsverlauf.
Das habe ich für mich im bisher unbenutztem Zustand konservieren wollen, hier also der Griff nun nach Behandlung mit einem schichtbildenden Hartwachs-Öl:
(auch bei der Gelegenheit: Die Zwischenräume an Angel/Griffbohrung wurden damit weitestgehend komplett ausgefüllt. D.h., dass das Griffholz an diesen inneren Flächen auch nicht mehr Wasser/Flüssigkeiten etc. aufnehmen wird)
Dann die Klinge:
Die hatte ich völlig falsch in Erinnerung (vielleicht auch nur, weil ich es einfach als gut schneidendes Messer in Erinnerung hatte):
Es ist definitv kein Dünnschliff a´la Herder! Insgesamt wesentlich stabiler, auch von Nagelgängigkeit keine Spur - geschweige denn lässt sie sich biegen.
Die Klinge hat eine andere Philosophie: Stabil, robust, ballig.
So z.B. wird der Klingenrücken auch erst im letzten Fünftel zur Spitze hin dünner:
Folgend ein Versuch von einem Foto des Kehls, aber ich glaube der ist fotografisch missglückt - zumindest zeigt er für mich nicht so den balligen Charakter des Klingenschliffs ->
Nun gut, was ich hierbei gemacht habe:
Als Erstes die übergangslose Rundung Kehl/Schneide zur Schneide hin mit noch so ca. 2 bis 3mm Fehlschärfe versehen. (Hier hatte ich mir beim Erstbesitz mal einen recht derben Schnitt in den Mittelfinger kassiert, ohne gleich zu wissen warum eigentlich. Würde ich also zum Nachmachen dringend empfehlen!)
Dann den balligen Schliff knapp über Schneide mit einem 300er Schruppstein ausgedünnt aber ohne dabei den balligen Charakter zu verlieren (ich muss nur keine Kaninchen zerteilen...).
...Und die Seitenflanken mit feinem Schleifpapier/Metallpolierpaste glänzend gefinisht, ein Schneidenendschliff mit belgischen blauen Brocken, Abzug auf glattem Stahl, Handinnenfläche – das Ergebnis ist scharf. Sehr scharf...
Zum Stahl selber, was ich dazu im Netz finden konnte: XC65 wird wohl üblicherweise zwischen 57 – 60 HRC gehärtet.
In dem Falle würde ich eher eine Tendenz in Richtung 60 schätzen, auf jeden Fall mußte man bei meinen (kleineren) Schleifeingriffen auch für einen kleineren Abtrag schon ein bisschen hartnäckiger werden.
Auch klingt der Stahl sehr spitz und im Ton hoch.
So, das waren jetzt viele Worte, ohne dass ich über das Verhalten im Gebrauch überhaupt etwas konkret gesagt habe.
Aber das werde ich noch.
Eventuell auch im Vergleich.
(Zumindest habe ich z.B. den Stahl als hochreaktiv in Erinnerung, was sich dann aber nach Patinabildung wieder legt.)
Bin auf jeden Fall selbst schon einmal gespannt wie die Neuerfahrung aussieht!
Und aber unabhängig davon vorweg, ich finde derartige Produkte - die eher in Richtung einfaches, aber bewährtes Werkzeug gehen - mindestens genauso interessant wie (wenn es berechtigt ist) High-End.
Von mir aus also schon einmal der Familie Pallares gerne drei weitere Generationen und weitere einhundert Jahre!
Achso, last but not least, um die Vorstellung in die richtige Relation zu bringen: Das Messer kostet - je nachdem - knapp € 14,-
Fortsetzung
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Update, die ersten (Test-) Schnitte wurden eben gesetzt.
Als erstes an der "kritischen" Möhre.
Hier war ich am meisten gespannt, was die eher stabile, alles andere als dünne, ballige Geometrie dazu sagt.
Dazu habe ich für den Vergleich auch einen durchaus prominenten Gegenkanditaten herangezogen, ein Herder 1922.
Das ist vielleicht nicht der absolute Leichtschnitt- Weltmeister, aber umgekehrt sicher ein allgemein anerkannt gut schneidendes Allround-Kochmesser.
Zum Schnitt selbst (jeweils leicht schiebender Druckschnitt):
Objekt eine recht frische Möhre, Durchmesser etwas über 3 cm, beide Scheiben an der gleichen Möhre direkt hintereinander, Fotoergebnis (im harten Gegenlicht, bei dem man jeden faserigen Ausriss sofort sehen würde), links dann die Schnittfläche vom 1922, rechts die vom Pallares ->
Wie man sieht, sieht man kaum einen Unterschied (die Unterschiede zwischen links und rechts hängen eher mit dem leicht unterschiedlichen Fokus im Foto zusammen).
Ganz ehrlich, ich war selber verblüfft, damit hatte ich nicht gerechnet wie dicht auch das Schnittgefühl ansich beieinander liegt.
Nur ganz leicht (ich habe extra drauf geachtet) gab es beim schneiden leichte akustische Unterschiede: Das Herder ging praktisch geräuschlos durch, beim Pallares gab es ganz leichte Faserrissgeräusche, diese aber wirklich nur sehr leicht. Auf jeden Fall weit entfernt von den üblichen harten Spalt-/Bruch-Geräuschen die man gemeinhin auch kennt.
Ich wiederhole mich, ich war selber verblüfft, aber das war so.
Nun der nächste Test, die Zwiebel (ohne Vergleich), mein wichtigstes Kriterium.
Zuerst das Bild:
Auch hier war ich positiv überrascht, gerade die oberen Einschnitte zur Wurzelseite kann man mühelos setzen, auch spreizt sich dann hier nichts besonders auf.
Hätte ich so nicht erwartet, weil die Klinge auch in den Bereichen der Spitze noch recht stabil bzw. vergleichsweise dicker ist.
Aber warum auch immer, es funktioniert prima.
Ich vermute mal es liegt auch vor allen Dingen ganz simpel an der Form, bzw. der damit geringen Höhe der Klinge in den Bereichen der Spitze.
Das sei an dieser Stelle überhaupt auch einmal erwähnt: Die sehr flach zulaufende doch recht spezielle Klingenform. Diese erlaubt mit der in der Höhe auf Mitte liegenden Spitze so fast intuitiv sehr präzise sitzende Einschnitte.
Nun aber der andere Punkt, auf den ich gespannt war, die Reaktion des Metalls:
Und ohja, der Stahl ist hochreaktiv, es stinkt spontan nach Kontakt echt schon eher scharf-schwefelig, beim genauen Hinsehen kann man das auch an den direkt braun verfärbten Zwiebel-Stückchen auf dem Foto sehen, kurzum: Zumindest diese Zwiebel ist reif für den Müll, praktisch nicht mehr genießbar.
Als letztes noch eine nicht mehr ganz so taufrische Tomate, obwohl es klar war, das hier nichts Neues zu erwarten war: Schneidet gut. (...macht aber praktisch jede Klinge, solange sie scharf ist)
Das habe ich auch nur gemacht, um zu sehen ob der Metallgeschmack in der Reaktion mit der Zwiebel sich danach auch darauf überträgt.
Und?: Tut er.
Lecker war die Tomate nicht mehr.
Fazit:
- 1. Das Messer schneidet besser als ich es aufgrund der Stabilität/Geometrie erwartet hätte. Vielleicht liegt es ein wenig an meiner Ausdünnung über der Schneide, glaube ich aber gar nicht mal so, das war nämlich nicht viel.
Wie dem auch sei: Test bestanden, das wird definitiv mein leichtes/kleines Urlaubs-Küchenmesser!
- 2. muss die Klinge gleich heute Abend über Nacht noch in ein Essigbad oder so ähnlich, um sich abzureagieren, meine nächsten Salate will ich mir schließlich nicht so einfach damit versauen lassen! ;-)
Fortsetzung
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
...und ein weiters Update, der erste Einsatz in der Küche.
Um die allgemeine Reaktionsfreude etwas einzudämmen hatte ich die Klinge dann wie angekündigt gleich erst einmal einer Essigbehandlung unterzogen.
Die Klinge wurde möglichst sorgfältig mit Aceton entfettet, fest mit einem Küchenkrepp-Papier umwickelt, dieses mit normalen Speiseessig getränkt und das Ganze habe ich dann über Nacht in einem verschlossenen Gefrierbeutel einwirken lassen.
Das Ergebnis am nächsten Morgen:
...weniger fleckig als ich eigentlich erwartet hatte.
Der schöne kühle Glanz ist zwar nun einem stumpfen Grau gewichen, aber den kann man bei Klingen dieser Art nun mal nicht halten, zumindest wenn man es auch für Gemüse/Früchte etc. einsetzen möchte.
So präpariert wurde damit Abends zubereitet, quer Beet: Kartoffeln, Salatgurke, Knoblauch, ein gutes Bund Petersilie und natürlich ein ganz paar Zwiebeln.
Und tatsächlich hat sich die Vorpatinierung offenbar gelohnt.
Bei den erstgenannten Lebensmitteln gab es gar keine Reaktion, bei den Zwiebeln war noch etwas zu bemerken, leicht bräunliche Verfärbungen bei den ersten Schnitten.
Aber vor allem geruchsmäßig gab es hierbei ein komplett anderes Bild als bei den ersten Schnitttesten.
Für sich genommen rochen die gewürfelten Zwiebeln eben nach Zwiebeln, ohne diese stechende Reaktions-Beinote.
Prima, damit kann man dann auch kochen.
Direkt dann unter die Nase gehalten riecht die Klinge natürlich immer noch recht deutlich nach "Eisen" - nur ich persönlich habe damit kein Problem, bzw. bin es seit jeher gewohnt.
Aber ganz klar: Leute, die in diesem Punkt empfindlich sind sollten besser auf diese Messer verzichten.
Denn so, wie ich es auch in Erinnerung habe: Auch nach längerem Gebrauch wird dieser Stahl sich nie ganz ausreagiert haben.
Vielleicht nicht ganz uninteressant, wie dann die Vorpatinierung wiederum auf den Gebrauch selbst reagiert hat:
Wie man sieht ist diese nicht sonderlich stabil, wird an den Kontaktflächen von weiteren Reaktionen gelöst bzw. ersetzt.
So wird das ab jetzt sich sicherlich im weiteren Verlauf auch weiter verhalten.
Aber an der Stelle noch ein weiterer, nicht ganz unwichtiger Punkt: Die Schneide war danach immer noch scharf, an allen Stellen wird spontan der Nageltest bestanden, d.h. es wäre weiter ohne jegliche Nachhilfe auch danach noch voll einsatzfähig.
Und dabei hatte sie mindestenst bei der Zerkleinerung der Petersilie auch durchaus kräftigeren Brettkontakt.
Sehr gut, das hatte ich so in dieser Deutlichkeit nicht unbedingt erwartet.
Sodele, nun ist die Vorstellung mit meinen Veränderungen und ersten Gebrauchseindrücken beendet.
Für mich bleibt: Ich bin froh, es (wieder) zu haben, nehme es auch wie früher gerne in die Hand, es hat ein schönes "schnell für Zwischendurch-Format", mir macht es einfach Spaß.
Und es taugt definitiv was, warum es nun auch nicht nur auf den Urlaubseinsatz warten muss sondern stattdessen einen Platz in meinem Messerblock für´s Tagtägliche gefunden hat. ;-)
Viele Grüße,
Christian
Hallo!
Nachdem ich in früheren Zeiten schon einmal dieses Messer besaß, in einem Forumsbeitrag daran erinnert wurde und es spontan wieder bestellte, möchte es nun hier aus meiner Sicht gerne vorstellen.
Es ist aus der Küchenmesserserie des spanischen Familienunternehmens www.pallaressolsona.com, die in der dritten Generation ihrer mittlerweile knapp einhundertjährigen Geschichte so Einiges rund um Haushalt/Küche/Landwirtschaft etc. traditionell in anteiliger Handarbeit herstellen.
Es gibt verschiedenen Versionen/Größen, meines ist eins mit der bauchigeren Klinge in der 13cm-Längenversion.
Erst einmal die nüchternen technischen Eckdaten:
- Materialien: Griff Buchsbaum, Zwinge Stahlblech verchromt, Klinge Carbonstahl XC65
- Gesamtlänge: 23,7cm (davon Griff 10,2cm, Klinge gesamt 13,5cm, davon ca. 12,5cm scharfe Schneide)
- Der runde Griff an der kräftigsten Stelle im Durchmesser: 22mm, zur Klinge hin verjüngt er sich bauchig/konisch, die Zwinge selbst hat dann einen Durchmesser von 14mm
- Gewicht: ca. 80gr (der Schwerpunkt liegt dabei vorn am Ende der Zwinge)
- Klingenhöhe max. 30mm, mit beidseitig balligem Anschliff auf null (eine eigens geschliffene Scheiden-Fase ist nicht auszumachen), Klingenrücken max. etwas über 2mm stark.
Die nachfolgenden Bilder zeigen nicht den gelieferten Originalzustand (dazu kann man natürlich bei Bedarf einiges im Netz finden), sondern das Messer nach Bearbeitungen, wie ich sie nach meiner Lust und Laune bzw. persönlichen Vorlieben dann vorgenommen habe.
Dazu aber später mehr.
Zum Originalzustand selbst, wie es bei mir ankam:
Griff OK, keine Macken oder gar Risse (nur sehr feine an den kleinen Astmaserungen), die Klinge ist in der offenen, runden Bohrung nicht ganz 100% gerade eingesetzt (sieht man aber nur beim genauen Hinsehen in der Verlängerung und hat auch für den Gebrauch keine weitere Relevanz), die Fixierung mit der Drahtstiftniete sitzt, da wackelt nix.
Am Klingenrücken/Kehl sind die Kanten noch recht scharf, allerdings keine Stanz-Grate oder so etwas. (Klingenrücken/Kehl wurde natürlich mit ein paar Schnipseln Schleifpapier in ein paar Minuten als Erstes verbessert bzw. gerundet)
An der Oberseite stößt der Klingenrücken direkt und in der Höhe bündig an die Zwinge, unten dagegen ist zwischen Klinge und Zwinge ein kleiner Spalt von knapp 1mm.
Ist hier einfach so. Basta.
Der werksseitige, ballige Grundschliff ist OK, gegen das Licht sieht man leicht Unregelmäßigkeiten, halt Handarbeit. Die Werksschärfe ist ebenfalls schon so einigermaßen OK, aber da geht an diesem Stahl noch wesentlich mehr...
Also alles Dinge, die zartbesaitete Gemüter eventuell nervlich nicht aushalten werden, und denen, die feinste, saubere Handwerkskunst in Vollendung erwarten, kann ich nur raten: Don´t drop the Button! ;-)
Aber vorab schon einmal die drei Punkte warum ich mich für dieses Messer wieder spontan begeistern kann:
- Die für mich in der Gesamtheit stimmige, elegante Linienführung.
Und dabei ist es eben kein neu von irgendeiner Marketing-Abteilung ausgedachtes Design-Lifestyleprodukt, sondern diese hat sich so über Jahrzehnte im Gebrauch von tausenden spanischen Küchen/Haushalten entwickelt und offenbar bewährt.
- Das Gefühl, wenn man es in die Hand nimmt.
Es ist sofort wie beim altvertrauten Schraubenzieher aus Opas Werkzeugkiste und löst instinktiv dieses "OK, was gibt´s zu tun?"-Gefühl aus.
Es wirkt - auch gerade bei dieser Größe - wie eine natürlich Verlängerung der Hand.
Dazu trägt sicherlich auch der neutrale Schwerpunkt und das für die Größe nicht allzu geringe Gewicht bei.
- Drittens (aber das ist bisher nur eine Erinnerung aus dem früheren Besitz):
Es funktioniert einfach gut. Die Schneide kann richtig behandelt sehr scharf werden, ist aber dabei umgekehrt nicht sonderlich empfindlich.
Und einfach das Format.
Das ist sehr vielseitig. Die meisten Sachen können damit gemacht werden.
Es war damit früher über einen ganzen Zeitraum fast mein einzig gebrauchtes Küchenmesser.
Auch dabei ein nicht ganz unwichtiger Punkt: Anders als bei vielen in diesem Größenbereich vertretenen Messern (Petty-Format), lässt der Abstand Griffangel zur Schneide durchaus im kleineren Rahmen eine Art Wiegeschnitt zu.
(Weswegen ich mir es auch wieder gekauft haben: Es soll nämlich mein "Universal-Küchenmesser" für die Urlaubsreisen werden. Denn es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein: In den Küchen von Ferienwohnungen (dort landen wir meisten bei unseren Familienurlauben mit den Kindern) findet man zwar alles Mögliche, nur GARANTIERT kein einigermaßen gescheites Küchenmesser ;-) )
Nun aber erst einmal ein Gesamtbild der schlichten Eleganz:
Und nun zu den beiden Bestandteilen, die ich für mich noch einmal angepasst/verändert habe.
Zum Einem der Griff.
Dieser ist aus Tradition bei diesen Messern aus Buchsbaumholz. Darüber bin ich gestolpert, warum ausgerechnet das garantiert nicht billigste Nutzholz?
Habe dazu im Netz ein wenig gestöbert und Folgendes: Buchsbaum ist das härteste (europäische) Holz. Das wußte ich in dieser Klarheit noch gar nicht.
Es ist sehr dicht, geschlossen/feinporig, läßt sich in allen Richtungen glatt bearbeiten, weswegen es in früheren Zeiten auch bei speziellen, eher technischen Verwendungen genutzt wurde. Z.B. die Holzlettern für den Buchdruck wurden daraus gefertigt.
Und es hat aber noch eine weitere, prägnante Eigenschaft: Es benötigt eine sehr lange Austrocknung, schwindet dabei auch sehr stark (mit 27 – 28% die höchste aller bekannten Nutzhölzer), hat dann aber nach richtiger Ablagerung die Eigenschaft kaum noch auf unterschiedliche Umgebungsfeuchten zu reagieren und bleibt dabei dimensionsstabil.
Aha!, also schon einmal alles andere als eine schlechte Auswahl des Griffmaterials für ein robustes Küchenmesser...
Unabhängig davon, mir gefällt dieses hell-gelbe Holz mit seinem eher dezenten aber gleichzeitig doch sehr lebendigen Maserungsverlauf.
Das habe ich für mich im bisher unbenutztem Zustand konservieren wollen, hier also der Griff nun nach Behandlung mit einem schichtbildenden Hartwachs-Öl:
(auch bei der Gelegenheit: Die Zwischenräume an Angel/Griffbohrung wurden damit weitestgehend komplett ausgefüllt. D.h., dass das Griffholz an diesen inneren Flächen auch nicht mehr Wasser/Flüssigkeiten etc. aufnehmen wird)
Dann die Klinge:
Die hatte ich völlig falsch in Erinnerung (vielleicht auch nur, weil ich es einfach als gut schneidendes Messer in Erinnerung hatte):
Es ist definitv kein Dünnschliff a´la Herder! Insgesamt wesentlich stabiler, auch von Nagelgängigkeit keine Spur - geschweige denn lässt sie sich biegen.
Die Klinge hat eine andere Philosophie: Stabil, robust, ballig.
So z.B. wird der Klingenrücken auch erst im letzten Fünftel zur Spitze hin dünner:
Folgend ein Versuch von einem Foto des Kehls, aber ich glaube der ist fotografisch missglückt - zumindest zeigt er für mich nicht so den balligen Charakter des Klingenschliffs ->
Nun gut, was ich hierbei gemacht habe:
Als Erstes die übergangslose Rundung Kehl/Schneide zur Schneide hin mit noch so ca. 2 bis 3mm Fehlschärfe versehen. (Hier hatte ich mir beim Erstbesitz mal einen recht derben Schnitt in den Mittelfinger kassiert, ohne gleich zu wissen warum eigentlich. Würde ich also zum Nachmachen dringend empfehlen!)
Dann den balligen Schliff knapp über Schneide mit einem 300er Schruppstein ausgedünnt aber ohne dabei den balligen Charakter zu verlieren (ich muss nur keine Kaninchen zerteilen...).
...Und die Seitenflanken mit feinem Schleifpapier/Metallpolierpaste glänzend gefinisht, ein Schneidenendschliff mit belgischen blauen Brocken, Abzug auf glattem Stahl, Handinnenfläche – das Ergebnis ist scharf. Sehr scharf...
Zum Stahl selber, was ich dazu im Netz finden konnte: XC65 wird wohl üblicherweise zwischen 57 – 60 HRC gehärtet.
In dem Falle würde ich eher eine Tendenz in Richtung 60 schätzen, auf jeden Fall mußte man bei meinen (kleineren) Schleifeingriffen auch für einen kleineren Abtrag schon ein bisschen hartnäckiger werden.
Auch klingt der Stahl sehr spitz und im Ton hoch.
So, das waren jetzt viele Worte, ohne dass ich über das Verhalten im Gebrauch überhaupt etwas konkret gesagt habe.
Aber das werde ich noch.
Eventuell auch im Vergleich.
(Zumindest habe ich z.B. den Stahl als hochreaktiv in Erinnerung, was sich dann aber nach Patinabildung wieder legt.)
Bin auf jeden Fall selbst schon einmal gespannt wie die Neuerfahrung aussieht!
Und aber unabhängig davon vorweg, ich finde derartige Produkte - die eher in Richtung einfaches, aber bewährtes Werkzeug gehen - mindestens genauso interessant wie (wenn es berechtigt ist) High-End.
Von mir aus also schon einmal der Familie Pallares gerne drei weitere Generationen und weitere einhundert Jahre!
Achso, last but not least, um die Vorstellung in die richtige Relation zu bringen: Das Messer kostet - je nachdem - knapp € 14,-
Fortsetzung
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Update, die ersten (Test-) Schnitte wurden eben gesetzt.
Als erstes an der "kritischen" Möhre.
Hier war ich am meisten gespannt, was die eher stabile, alles andere als dünne, ballige Geometrie dazu sagt.
Dazu habe ich für den Vergleich auch einen durchaus prominenten Gegenkanditaten herangezogen, ein Herder 1922.
Das ist vielleicht nicht der absolute Leichtschnitt- Weltmeister, aber umgekehrt sicher ein allgemein anerkannt gut schneidendes Allround-Kochmesser.
Zum Schnitt selbst (jeweils leicht schiebender Druckschnitt):
Objekt eine recht frische Möhre, Durchmesser etwas über 3 cm, beide Scheiben an der gleichen Möhre direkt hintereinander, Fotoergebnis (im harten Gegenlicht, bei dem man jeden faserigen Ausriss sofort sehen würde), links dann die Schnittfläche vom 1922, rechts die vom Pallares ->
Wie man sieht, sieht man kaum einen Unterschied (die Unterschiede zwischen links und rechts hängen eher mit dem leicht unterschiedlichen Fokus im Foto zusammen).
Ganz ehrlich, ich war selber verblüfft, damit hatte ich nicht gerechnet wie dicht auch das Schnittgefühl ansich beieinander liegt.
Nur ganz leicht (ich habe extra drauf geachtet) gab es beim schneiden leichte akustische Unterschiede: Das Herder ging praktisch geräuschlos durch, beim Pallares gab es ganz leichte Faserrissgeräusche, diese aber wirklich nur sehr leicht. Auf jeden Fall weit entfernt von den üblichen harten Spalt-/Bruch-Geräuschen die man gemeinhin auch kennt.
Ich wiederhole mich, ich war selber verblüfft, aber das war so.
Nun der nächste Test, die Zwiebel (ohne Vergleich), mein wichtigstes Kriterium.
Zuerst das Bild:
Auch hier war ich positiv überrascht, gerade die oberen Einschnitte zur Wurzelseite kann man mühelos setzen, auch spreizt sich dann hier nichts besonders auf.
Hätte ich so nicht erwartet, weil die Klinge auch in den Bereichen der Spitze noch recht stabil bzw. vergleichsweise dicker ist.
Aber warum auch immer, es funktioniert prima.
Ich vermute mal es liegt auch vor allen Dingen ganz simpel an der Form, bzw. der damit geringen Höhe der Klinge in den Bereichen der Spitze.
Das sei an dieser Stelle überhaupt auch einmal erwähnt: Die sehr flach zulaufende doch recht spezielle Klingenform. Diese erlaubt mit der in der Höhe auf Mitte liegenden Spitze so fast intuitiv sehr präzise sitzende Einschnitte.
Nun aber der andere Punkt, auf den ich gespannt war, die Reaktion des Metalls:
Und ohja, der Stahl ist hochreaktiv, es stinkt spontan nach Kontakt echt schon eher scharf-schwefelig, beim genauen Hinsehen kann man das auch an den direkt braun verfärbten Zwiebel-Stückchen auf dem Foto sehen, kurzum: Zumindest diese Zwiebel ist reif für den Müll, praktisch nicht mehr genießbar.
Als letztes noch eine nicht mehr ganz so taufrische Tomate, obwohl es klar war, das hier nichts Neues zu erwarten war: Schneidet gut. (...macht aber praktisch jede Klinge, solange sie scharf ist)
Das habe ich auch nur gemacht, um zu sehen ob der Metallgeschmack in der Reaktion mit der Zwiebel sich danach auch darauf überträgt.
Und?: Tut er.
Lecker war die Tomate nicht mehr.
Fazit:
- 1. Das Messer schneidet besser als ich es aufgrund der Stabilität/Geometrie erwartet hätte. Vielleicht liegt es ein wenig an meiner Ausdünnung über der Schneide, glaube ich aber gar nicht mal so, das war nämlich nicht viel.
Wie dem auch sei: Test bestanden, das wird definitiv mein leichtes/kleines Urlaubs-Küchenmesser!
- 2. muss die Klinge gleich heute Abend über Nacht noch in ein Essigbad oder so ähnlich, um sich abzureagieren, meine nächsten Salate will ich mir schließlich nicht so einfach damit versauen lassen! ;-)
Fortsetzung
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...und ein weiters Update, der erste Einsatz in der Küche.
Um die allgemeine Reaktionsfreude etwas einzudämmen hatte ich die Klinge dann wie angekündigt gleich erst einmal einer Essigbehandlung unterzogen.
Die Klinge wurde möglichst sorgfältig mit Aceton entfettet, fest mit einem Küchenkrepp-Papier umwickelt, dieses mit normalen Speiseessig getränkt und das Ganze habe ich dann über Nacht in einem verschlossenen Gefrierbeutel einwirken lassen.
Das Ergebnis am nächsten Morgen:
...weniger fleckig als ich eigentlich erwartet hatte.
Der schöne kühle Glanz ist zwar nun einem stumpfen Grau gewichen, aber den kann man bei Klingen dieser Art nun mal nicht halten, zumindest wenn man es auch für Gemüse/Früchte etc. einsetzen möchte.
So präpariert wurde damit Abends zubereitet, quer Beet: Kartoffeln, Salatgurke, Knoblauch, ein gutes Bund Petersilie und natürlich ein ganz paar Zwiebeln.
Und tatsächlich hat sich die Vorpatinierung offenbar gelohnt.
Bei den erstgenannten Lebensmitteln gab es gar keine Reaktion, bei den Zwiebeln war noch etwas zu bemerken, leicht bräunliche Verfärbungen bei den ersten Schnitten.
Aber vor allem geruchsmäßig gab es hierbei ein komplett anderes Bild als bei den ersten Schnitttesten.
Für sich genommen rochen die gewürfelten Zwiebeln eben nach Zwiebeln, ohne diese stechende Reaktions-Beinote.
Prima, damit kann man dann auch kochen.
Direkt dann unter die Nase gehalten riecht die Klinge natürlich immer noch recht deutlich nach "Eisen" - nur ich persönlich habe damit kein Problem, bzw. bin es seit jeher gewohnt.
Aber ganz klar: Leute, die in diesem Punkt empfindlich sind sollten besser auf diese Messer verzichten.
Denn so, wie ich es auch in Erinnerung habe: Auch nach längerem Gebrauch wird dieser Stahl sich nie ganz ausreagiert haben.
Vielleicht nicht ganz uninteressant, wie dann die Vorpatinierung wiederum auf den Gebrauch selbst reagiert hat:
Wie man sieht ist diese nicht sonderlich stabil, wird an den Kontaktflächen von weiteren Reaktionen gelöst bzw. ersetzt.
So wird das ab jetzt sich sicherlich im weiteren Verlauf auch weiter verhalten.
Aber an der Stelle noch ein weiterer, nicht ganz unwichtiger Punkt: Die Schneide war danach immer noch scharf, an allen Stellen wird spontan der Nageltest bestanden, d.h. es wäre weiter ohne jegliche Nachhilfe auch danach noch voll einsatzfähig.
Und dabei hatte sie mindestenst bei der Zerkleinerung der Petersilie auch durchaus kräftigeren Brettkontakt.
Sehr gut, das hatte ich so in dieser Deutlichkeit nicht unbedingt erwartet.
Sodele, nun ist die Vorstellung mit meinen Veränderungen und ersten Gebrauchseindrücken beendet.
Für mich bleibt: Ich bin froh, es (wieder) zu haben, nehme es auch wie früher gerne in die Hand, es hat ein schönes "schnell für Zwischendurch-Format", mir macht es einfach Spaß.
Und es taugt definitiv was, warum es nun auch nicht nur auf den Urlaubseinsatz warten muss sondern stattdessen einen Platz in meinem Messerblock für´s Tagtägliche gefunden hat. ;-)
Viele Grüße,
Christian