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Post by severus on Apr 13, 2018 11:43:52 GMT
Im Zusammenhang mit Messern wird die Härte des Stahls als zentrales Qualitätsmerkmal gehandelt. Aber jenseits gewisser Grenzen ist es doch eigentlich gar nicht das, was uns interessiert, oder? Klar, das Messer muss härter sein als das Schnittgut. Aber darüber hinaus interessieren uns doch eigentlich ganz andere Eigenschaften, etwa Beständigkeit gegen abrasiven Verschleiss, Widerstand gegen Ausbruch, plastische Verformbarkeit, Feinheit des Gefüges etc. Einige dieser Eigenschaften sind bei einigen Stählen mit der Härte korreliert, aber mehr auch nicht.
ich habe den Eindruck, die Härte wird vor allem deshalb so hoch gehandelt, weil sie sich leicht messen lässt. Außerdem ist so etwas wie "Härte" vordergründig viel anschaulicher als " Kerbschlagzähigkeit" oder "abrasive Verschleißbeständigkeit" und wird daher gern benutzt, auch wenn es eigentlich nicht das meint, was man will.
Wie seht ihr das?
Viele Grüße Severus
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Post by Nakiriman on Apr 13, 2018 11:55:31 GMT
Die Härte an sich sagt gar nicht aus. Erst im Zusammenhang mit Stahlart, Geometrie, Anwendung und Anwender wird ein Schuh draus. Aber Du hast natürlich recht: Mit so einem einfachen Schlagwort lässt sich herrlich werben..
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Post by Peter on Apr 13, 2018 12:09:06 GMT
Ist doch überall das Gleiche. Watt bei HIFI, PS bei Autos, Härte bei Messern. Grobe Einteilung zur ersten Orientierung, nicht mehr, nicht weniger. So sind wir halt, siehe Frage "bestes Messer", "Stein", "Auto", "Boxen", "etc.". Der Wunsch nach der "einfachsten Entscheidung/Beurteilung" ist gegeben, obwohl wir wissen es wird uns nicht helfen(oder auch nicht).
JJB
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Post by BastlWastl on Apr 13, 2018 13:06:13 GMT
Also als halbwegs erfahrener Laie erkläre ich das mal so: (einerseits kenne ich mich schon etwas aus, aber bin noch lange kein Spezialist!)
Im Prinzip sagt die Härte nix aus, ganz klar...
Wenn man aber zusätzlich über Stahlart etc. bescheid weiß kann man daraus Rückschlüsse ziehen....
Als Beispiel, ein einfacher C-Stahl C75 z.B. könnte ja theoretisch bis zu HRC 65 (oder mehr) haben, was macht den dann "besser" als den gleichen Stahl der mit HRC57 gehärtet wurde ?
Jeweils geeignete WB vorrausgesetzt wird das Messer mit HRC 65 über eine bessere Schneidkantenstabilität (also Feinere Winkel vertragen als das weichere Messer) verfügen aber gleichzeitig an Kerbschlagzähigkeit einbüßen.....
Also ein Messer mit HRC 57 wird einen feinen Winkel schlechter halten können als eines mit HRC 65 (aus dem gleichen Stahl), aber bei Querbelastungen länger standhalten.... Also insgesamt stabiler sein... (Haumesser VS. Sushimesser/Rasiermesser)
Wenn wir uns über so einen Stahl unterhalten (wie der angesprochene C75) ist es durch aus von Vorteil diesen nicht auf das maximum zu härten (bzw. die Wärmebehandlung so zu gestallten das er nicht am "maximum" liegt). Bei so einfachen C-Stählen kann dies von Vorteil sein bei der Küchennutzung weil diese dann sehr einfach wetzbar bleiben.... Und somit sehr lange scharf gehalten werden können, wenn der Schärfwinkel stimmt. Gleichzeitig kann so ein Stahl zwar mit relativ wenig Aufwand extremst scharf geschärft werden, hält die Schneide aber nicht so lange... ( dabei ist dann doch wieder ein Zusammenhang zu erkennen). Und dies ändert sich halt nur marginal mit der Härte... Also machen wirklich hohe Härten Sinn bei z.B. einseitig geschliffenen Messern (Yanagiba etc. die ohne Brettkontakt genützt werden) um die extremen Winkel besser halten zu können und bei Rasiermessern....
Bei höher legierten Stählen lassen sich mehr Unterschiede feststellen, und dies erlaubt dann auch höhere Winkel bei besserer Schnitthaltigkeit (1.2562 z.B.).
Grüße wastl.
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Post by severus on Apr 13, 2018 13:18:15 GMT
Hallo Wastl, Genau, WENN ich einen bestimmten Stahl betrachte und WENN ich die Eigenschaften und die Wärmebehandlung dieses Stahls genau kenne, dann kann ich aus der Härtemessung Schlüsse ziehen. Wenn ich aber zwei Stähle vergleiche sagt mir die Härtemessung wenig. Der eine Stahl kann mit Härte 58 in allen interessanten Eigenschaften besser sein als der andere mit Härte 62. Wenn man das Anlassschaubild z.B. Von M390 PM anschaut, so sieht man, dass der Stahl bei unterschiedlicher Wärmebehandlung gleiche Endhärte bei großen Unterschieden in Eigenschaften wie Verschleißfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit haben kann. Da sagt die Härte allein dann gar nix mehr. Bei anderen hochlegierten Stählen mit Sekundärhärtemaximum wird das ähnlich sein.
Viele Grüße Severus
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Post by BastlWastl on Apr 13, 2018 13:29:21 GMT
Hallo Wastl, Genau, WENN ich einen bestimmten Stahl betrachte und WENN ich die Eigenschaften und die Wärmebehandlung dieses Stahls genau kenne, dann kann ich aus der Härtemessung Schlüsse ziehen. Wenn ich aber zwei Stähle vergleiche sagt mir die Härtemessung wenig. Der eine Stahl kann mit Härte 58 in allen interessanten Eigenschaften besser sein als der andere mit Härte 62. Wenn man das Anlassschaubild z.B. Von M390 PM anschaut, so sieht man, dass der Stahl bei unterschiedlicher Wärmebehandlung gleiche Endhärte bei großen Unterschieden in Eigenschaften wie Verschleißfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit haben kann. Da sagt die Härte allein dann gar nix mehr. Bei anderen hochlegierten Stählen mit Sekundärhärtemaximum wird das ähnlich sein. Viele Grüße Severus Ja so ist das... Ein 1.2562 müsste mit HRC 60 verschleißfester sein als ein C75 mit HRC 65... Genau so wie ein C100 mit HRC 58 verschleißfester sein sollte als ein C80 mit HRC62 ..... Wenn auch nur marginal. Die Karbide machen die Schnitthaltigkeit. Grüße wastl.
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Post by andreas123 on Apr 13, 2018 14:41:13 GMT
Moin,
nun mal eine Meinung oder ein Gedanke dazu von einem kompletten Metallunwissenden.
Ich glaube, die Härte wird insofern nicht überbewertet, als dass ich zumindest kein Japanstahl mit über 63 HRC kaufen würde, weil der bei mir schon beim auspacken ausbricht... Deswegen denke ich, dass bei nicht echt gut wärmebehandelten Stählen, und das kann ich beileibe nicht beurteilen und verlasse mich hier auf die Messerprofis- und nerds, das ich ich lieber ein Messer kaufe bei unter 63 HRC, besser vielleicht um 60, als ein als so extrem hart beworbenes. Hält bei mir länger und ist für jeden Depp einfacher mit einfacheren Mitteln zu schärfen. Ausnahme: Der Chinesenklopper aus angeblich HAP40, der imho eher VG sonstwas zu sein schein, aber extrem gut wärmebehandelt. Der ist etwas diffiziler zu betrachten beim schärfen, ist aber ein Standzeitwunder. Dünn ausgeschliffen, gibt es so gut wie keine ausbrüche, aber sehr wenige Mikroumlegungen. Was wohl wieder für die WB und nicht die Härte spricht.
Ich weiß nicht, ob das jetzt zu irgendetwas beiträgt, aber ich wollte als komplett unwissender einmal meine Ansicht dazu kundtun.
LG Andreas
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Post by suntravel on Apr 13, 2018 17:01:37 GMT
Ich seh das wieder mal etwas anders.... Das Schnitthaltigkeit eher über die Karbide kommt sehe ich auch so wie Wastl. Die Kerbschlagzähigkeit (also die Resistenz gegenüber Ausbrüchen bei Querbelastungen) nimmt bei jedem Stahl mit ansteigender Härte ab. Dann ist noch zu betrachten wie hart die Matrix sein sollte um die extrem harten Karbide zu halten (bei hoch legierten Stählen) Wetzbarkeit ist immer besser bei plastisch verformbar vergüteten Stählen, besonders mit nicht abrasiven Wetzstählen, weil da eine umgelegte Schneide nur aufgerichtet wird, eine harte leicht ausgebröselte Schneide bekommt man damit nicht mehr richtig scharf. Also wenn ich wetzen will würde ich den Stahl unter dem möglichen Maximum härten, wenn ich nur abrasiv schärfen will und beim schneiden nicht verkante am Maximum. Um ne Schneide extrem dünn und hoch nagelgängig zu machen und das die dabei nicht gleich stark ausbröselt sind zähe Stähle mit hoher Kerbschlagzähigkeit besser als extrem harte Stähle die wenig Kerbschlagzähigkeit haben. Also die Ansprüche an den Stahl mit hoher Standzeit bei einem robusten Schliff wie z.B. Wastl das bevorzugt sind anders als die für die extremer Laserfreaks die wenig schärfen wollen. Insgesamt ist HRC nur ein kleiner Parameter der etwas über die Brauchbarkeit von einem Messerstahl aussagt, aber wohl der werbewirksamste Gruß Uwe
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Post by KAMON Messer on Apr 13, 2018 18:16:33 GMT
Heyho, Ein Thema, dass mich auch interessiert und zu dem ich absenfen will. Ich denke, dass die Härte angegeben wird weil sie zerstörungsfrei feststellbar ist. Kerbschlagzähigkeit wird grundsätzlich mal zerstörungsfrei nicht feststellbar sein und wird zudem auch niemandem was sagen. Ich wüsste weder wie der Wert angegeben wird noch könnte ich entsprechende Daten dann in relation setzen. Härte hingegen kann ich selbst ohne Härteprüfgerät angeben da ich die, mit Hilfe eines Härteofens, dem Datenblatt des Stahls relativ genau entnehmen kann und in relation kann ich sie setzen weil sie eh jeder angibt. Was die abrasive Verschleißbeständigkeit betrifft so wird es hauptsächlich am versuchsaufbau scheitern. 1. Welcher messermacher will einen derartigen Aufwand betreiben und 2. Welcher Kunde will das bezahlen? Ein paar wichtige Punkte, um die angegebene Härte in Aussagekräftige Verhältnisse setzen zu können wie zb die Stahl Güte, wurden ja schon genannt. Unheimlich wichtig sind aber auch die Reinheit des Stahls (grobe Seigerungen, erhöhte störende Legierungselemente wie Schwefel usw.), wie er behandelt wurde und somit welches gefüge beim härten vorliegt (fein oder grob), wie er gehärtet wurde (1.3505 kann man zb gut in einem bainit/martensit mischgefüge härten welcher bei selber härte mehr Zähigkeit und Verschleißbeständigkeit aufweist als rein martensitischer 1.3505), Kohlenstoffgehalt des Stahls Stichwort Kohlenstoffdiffusion die beim schmieden oder im San Mai bzw. Damast passiert, und es gibt noch etliche Punkte die mir jetzt nicht einfallen. Also um die Frage von severus zu beantworten, die Härte sagt nicht nichts aus, aber man kann nur dann was damit anfangen wenn man jede Menge drumherum weiß . Lg Benjamin
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Post by Orakel on Apr 13, 2018 19:18:32 GMT
...die Härte sagt nicht nichts aus, aber man kann nur dann was damit anfangen wenn man jede Menge drumherum weiß... Findet meine Frau auch.
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Post by robin on Apr 14, 2018 6:27:18 GMT
Hardness does indeed matter for edge retention, and how thin stable edge you can put on the knife.
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Post by udo240 on Apr 14, 2018 7:14:29 GMT
Hallo Wastl, Genau, WENN ich einen bestimmten Stahl betrachte und WENN ich die Eigenschaften und die Wärmebehandlung dieses Stahls genau kenne, dann kann ich aus der Härtemessung Schlüsse ziehen. Wenn ich aber zwei Stähle vergleiche sagt mir die Härtemessung wenig. Der eine Stahl kann mit Härte 58 in allen interessanten Eigenschaften besser sein als der andere mit Härte 62. Wenn man das Anlassschaubild z.B. Von M390 PM anschaut, so sieht man, dass der Stahl bei unterschiedlicher Wärmebehandlung gleiche Endhärte bei großen Unterschieden in Eigenschaften wie Verschleißfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit haben kann. Da sagt die Härte allein dann gar nix mehr. Bei anderen hochlegierten Stählen mit Sekundärhärtemaximum wird das ähnlich sein. Viele Grüße Severus Ja so ist das... Ein 1.2562 müsste mit HRC 60 verschleißfester sein als ein C75 mit HRC 65... Genau so wie ein C100 mit HRC 58 verschleißfester sein sollte als ein C80 mit HRC62 ..... Wenn auch nur marginal. Die Karbide machen die Schnitthaltigkeit. Grüße wastl. Sind es wirklich die Carbide?? Bei einen C80 liegt nach dem Härten ein klassisches Härtegefüge vor (Martensitisches Grundgefüge) und nach dem Anlassen ein etwas weniger verspanntes Grundgefüge vor, dass die Härte herabsetzt aber die Duktilität erhöht (also z.B. Bainit). Das Vergütungsgefüge also bestimmt die Härte. Nur wenn Chrom oder ähnliches vorhanden ist, haben wir überhaupt einen Karbidbildner in der Legierung! In reinen C-Stählen liefern daher die Karbide nicht die Härte, sondern die klassische Gefügeausbildung des vergüteten Stahles liefert sie. Die Härte der Karbide ist auch nicht durch eine Wärmebehandlung beeinflussbar... Oder aber meinst Du mit Karbiden den Zementit an der Korngrenzen eines C-Stahles??
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Post by satanos on Apr 14, 2018 7:31:20 GMT
Moin
Nicht jeder Stahl büßt bei zunehmender Härte an Kerbschlagzähigkeit ein. Gerade die niedrig legierten sind härter bzw weniger hoch angelassen deutlich flexibler als wenn sie mit einer niedrigeren Härte bzw höher angelassen daher kommen.
Von daher kann ich auch absolut unterschreiben dass diese eine Eigenschaft ziemlich wenig Aussagekraft hat. Nur in Verbindung mit anderen Parametern die schon genannt wurden interessant.
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Post by udo240 on Apr 14, 2018 18:40:03 GMT
Moin Nicht jeder Stahl büßt bei zunehmender Härte an Kerbschlagzähigkeit ein. Gerade die niedrig legierten sind härter bzw weniger hoch angelassen deutlich flexibler als wenn sie mit einer niedrigeren Härte bzw höher angelassen daher kommen. Von daher kann ich auch absolut unterschreiben dass diese eine Eigenschaft ziemlich wenig Aussagekraft hat. Nur in Verbindung mit anderen Parametern die schon genannt wurden interessant. Ganz grundsätzlich braucht eine Klinge eine möglichst hohe Härte bei möglichst hoher Duktilität. Leider redet kaum jemand über die Duktilität, da diese messtechnisch zwar gut makroskopisch erfassbar ist (ich würde hier eigentlich immer die Bruchdehnung aus dem Zugversuch als messtechnische Grundlage zur Hilfe nehmen und nicht den Kerbschlagbiegeversuch) aber die eigentlichen Probleme ergeben sich ja bei Klingen im mikroskopischem Bereich. Sieht man sich ein Anlassschaubild an, so erkennt man, dass mit zunehmender Anlasstemperatur i.d.R. die Härte abnimmt, die Zähigkeit (Bruchdehnung A) des Stahles aber zunimmt. Hier z.B. für einen C45: beschaffung-aktuell.industrie.de/allgemein/die-hitze-machts/#slider-intro-3
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Post by severus on Apr 14, 2018 19:40:16 GMT
Diese Aussage gilt nicht für alle Werkzeugstähle. Viele hochlegierte Stähle haben bei hoher Anlasstemperatur ein mehr oder weniger ausgeprägtes sekundäres Härtemaximum und davor einen großen Temperaturbereich relativ gleichbleibenden Härte, z.B. hier: www.bohler-edelstahl.com/de/M390.phpViele Grüße Severus
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