Post by cheesesandwich on Feb 24, 2017 0:44:29 GMT
Moin,
Tja dieses Review hatte ich eigentlich für Januar geplant. Leider kam alles etwas anders, aber zum Glück gibt es Grippeviren die einen mal dazu zwingen zuhause zu bleiben und somit etwas Zeit verschaffen! Nun ist mir flint ja bereits mit einem gewohnt ausführlichen und super bebilderten Review zuvor gekommen. Daher werde ich versuchen insbesondere auch diese Eindrücke zu ergänzen/kontrastieren, und erlaube mir dafür diesen Thread zu kapern (trotz anderer Klingenlänge).
Wakui V2 Kurouchi 240 Gyuto ("Fam. Horie Edition")
Das Gyuto besitze ich nun ein dreiviertel Jahr. Ich hielt zu der Zeit Ausschau nach einem Wa-Gyuto in 24cm Klingenlänge welches mein 21er Carbonext als go-to Messer ablösen sollte. Als ich für einen Freund etwas beim JMS bestellt habe landete das Wakui mit im Warenkorb, ich musste ja schließlich die Versandkosten einsparen! Irgendwie hatte die Zunderschicht bei mir die Assoziation einer etwas robusteren Geometrie hervorgerufen; Lasergeometrien haben mich, jedenfalls für Gyutos, (noch) nicht sonderlich interessiert. Als es dann ankam war die Überraschung groß, die Klinge war für meine damaligen Begriffe nicht nur riesig sondern auch wahnsinnig leicht und dünn ausgeschliffen. Nie zuvor hatte ich eine Klinge so wild buckeln sehen. Ich ahnte schon dass diese Nummer für mich einen Ticken zu filigran sein könnte. Zurückschicken stand aber außer Frage, zu groß war die Neugier wie das Teil schneidet. Meine Vorahnung wurde zwar bestätigt, insgesamt hat mich das Messer aber ganz und gar nicht enttäuscht, denn es hat mir seinen Anschaffungspreis mit toller Schneidperformance und wichtigen persönlichen Erfahrungswerten zurückgezahlt.
Eckdaten
Gesamtlänge: 400mm
Klingenlänge: 255mm, davon nutzbare Schneide: 240mm
Klingenhöhe Kehl: 49mm
Gewicht: 168 gr
Klingenstahl und -aufbau: San Mai, V2 Schneidlage (62-63 HRC), Außenlagen Eisen (rostend) mit Kurouchi und Kasumi-Finish
Schliff: Traditionell japanischer Schliff mit Shinogi-Linie
Geometrie: Primärfase leicht konkav, sehr dünn an der Schneide (leicht nagelgängig), 50/50-Schneide
Griffmaterial: ovale geflammte Kastanie mit Zwinge aus poliertem schwarzem Büffelhorn
Griffdicke: am Griffende 27mm hoch und 22mm breit
Herstellungsland: Japan
Herstellungszeitraum: aktuell
Preis: 190€ vor Versand bei japan-messer-shop.de (siehe auch unten für mögliche andere Bezugsmöglichkeiten!)
Klinge im Auslieferungszustand:
Klinge mit Patina:
Größenvergleich: Carbon-Gang bestehend aus Wakui Gyuto mit Masamoto KS Slicer (280mm) und Kamo Migaki Nakiri (165mm):
Verarbeitung
Dem kundigen Auge fällt sicher sofort der kleine rückenseitige Spalt im Erlloch auf, da fehlt wohl etwas Füllmaterial. Damit wäre ich mit Meckern auch schon am Ende, denn alle anderen F&F Bereiche sind für meine Begriffe schwer in Ordnung bis sehr gut gelöst. Der Griff an sich ist nicht nur sehr schön anzuschauen sondern auch griffig. Das geflammte Kastanienholz ist sehr pflegearm. Der Übergang von Holz zu Zwinge ist spürbar, nicht etwa weil eine Kante übersteht sondern weil sich die Oberflächenbeschaffenheit von geflammter Kastanie und poliertem Horn selbstverständlich unterscheiden. Die Zwinge selbst ist poliert und im Verhältnis zum Holz gut dimensioniert. Kehl und Rücken sind nicht poliert aber anständig gebrochen, das passt auch zur rustikalen KU-Optik. Druckstellen an den Händen hatte ich noch keine. Klar, ich koche ja auch nur für 2 Personen, aber immerhin fallen auch mal größere Mengen Gemüse und Fleisch an wenn für den Hund 1 Monat im Voraus geBARFt wird. Nun zum Kurouchi: das ist grundsätzlich eigentlich nicht so sehr mein Fall, jedenfalls konnte ich mich nie mit dem Typ Kurouchi anfreunden wie wir ihn bspw. von den Kamo/Kanso-Messern kennen. Und wenn ich das auf den Bildern von flint richtig sehe schlägt das KU vom o.g. Tanaka in dieselbe Kerbe. Ich meine diese Art von Kurouchi die pulverartig aufgetragen ist, kaum Struktur hat und sich leicht wegätzen/wegschrubben lässt. Das KU vom Wakui ist das Gegenteil: es ist strukturiert, die Oberfläche sehr glatt. Ich glaube auch nicht dass man das einfach wegätzen kann - habe allerdings nicht vor es zu probieren, denn mir gefällt mir ausgesprochen gut. Das Kasumi-Finish war im Auslieferungszustand sehr sauber ausgeführt und gefiel mir ebenfalls sehr gut. Mittlerweile ist das von bläulich-kupferfarbener Patina überdeckt. Der Anschliff saß sehr sauber, die Auslieferungsschärfe war beeindruckend.
Klingeneinpassung:
Kehl:
Profil
Das Wakui hat einen grandiosen flat spot mit anschließend kontinuierlichem aber flachem Bauch. Die Spitze liegt also ziemlich tief, was dieses Gyuto für den Wiegeschnitt und präzise Arbeiten mit der Spitze zwar nicht unbedingt prädestiniert – es geht aber natürlich trotzdem, und das gar nicht mal schlecht! Schnittgut bis zu einer Höhe von ca. 5cm geht im Wiegeschnitt einwandfrei, darüber wird es mir persönlich zu abenteuerlich.
Profil:
Klingengeometrie
Dann lasst uns mal der Klinge auf den Zahn fühlen…
alle Messwerte wenn nicht andersangegeben in mm
*Die Spitze des Messschiebers lag dabei eindeutig über der Wate.
Ein Blick auf den Klingenrücken offenbart zunächst ein ähnliches Bild wir bei flints 21er Gyuto, zumindest was die ersten Zentimeter betrifft. Hier haben wir eine wirklich dicke Anfangsstärke die sich aber abrupt verjüngt, und dann zu Spitze hin schön „tapered“.
Die Kehlansichten hingegen unterscheiden sich fundamental. Während flints Exemplar eher in die Workhorse-Region tendiert (von der Shinogi abwärts konvex), zeigt sich bei meinem Wakui, ähnlich wie bei den hier gezeigten Nakiris derselben Serie, ein drastischeres Bild: auf dem ersten Zentimeter geht es lasermäßig zu, und auch auf dem zweiten nimmt die Klingenstärke zunächst nur langsam zu. Bis dann allerdings - ganz traditioneller Dreilagenjapaner – bei gut 1,75cm über der Schneide (Kehl) bis 2cm (7cm vor der Spitze) die Shinogi-Linie erreicht ist. Dort ist natürlich schon quasi die volle Klingenstärke erreicht.
Kehlshot:
Es geht bei diesem Wakui hinter der Wate also schon etwas anders zu als bei flints 21er-Exemplar. Ich denke bei solch markanten Unterschieden darf man getrost von einer ordentlichen Serienstreuung sprechen, Bilder aus einem Ami-Forum bekräftigen diesen Verdacht. Die bisher gezeigten Nakiris aus der JMS-Serie sind immerhin alle genauso dünn geschliffen wie mein Gyuto, die scheinen aus einem Guss zu sein. Der obere Bereich der Flanken ist ähnlich wie bei flint leicht konkav, allerdings glaube ich nicht dass wir es hier mit einem raffinierten S-grind oder dergleichen zu tun haben, sondern hier wurde einfach etwas ausführlicher geschmiedet. Auswirkungen auf das Schneidverhalten gibt es so weit oben sowieso nicht. Auch die Primärfase ist ganz leicht hohlgeschliffen, was man auf dem Foto leider kaum erkennen kann, aber immerhin angedeutet ist. Die Hohlung ist wirklich minimal, reicht aber aus um das flach aufliegende Polieren auf Steinen (bspw. zum Zwecke eines Kasumi-Finishs) impraktikabel zu machen. Andererseits bedeutet dies dass dieses Messer höllisch gut schneidet und sehr lange ohne Ausdünnen auskommen wird.
Klingenflanke Shinogi aufwärts:
Primärfase:
Performance
Die Schneidlage ist aus V2, einem Stahl der dem Hörensagen nach irgendwo zwischen Shiro- und Aogami liegt, wohl näher an Ersterem - also ein ziemlich reiner Carbonstahl. Entsprechend spielerisch lässt er sich schärfen. Die Standzeit zu beurteilen fällt mir aufgrund meines bescheidenen Referenzrahmens und meiner ebenso bescheidenen Schleifkünste schwer. Die Schneidkantenstabilität würde ich für ein solch dünn ausgeschliffenes Messer als ordentlich einschätzen, dazu gleich noch mehr.
Schneidfreudig ist das Messer zweifelsohne, und nicht zu knapp. In dieser Kategorie ist das Wakui definitiv ganz oben in meiner kleinen Sammlung. Das muss angesichts der schwachen Konkurrenz in meiner Küche nichts heißen, trotzdem vermute ich dass dieses Wakui auch absolut gesehen in der Champions League mitspielt. Insbesondere hartes Gemüse und Fleisch, aber auch das A&O wie Zwiebel und Knoblauch machen richtig Spaß. Auch zum Zerteilen von Sushi-Rollen ziehe ich gerne das Wakui heran, da die Kombination aus hoher Schärfe, dünner Primärfase und Shinogi-Verdrängungseffekt dem klebrigen Reis einiges entgegen setzt! Im unteren Bereich kann es insb. bei Gurken, Zucchini etc. passieren dass Schnittgut sich an die Klinge saugt. Sobald sich dort aber eine ausreichende Menge Gemüse sammelt wird dieses, der Shinogi-Linie geschuldet, sauber abgeschert. Die Shinogi sorgt also insgesamt für ein sehr passables food release, bremst den Schnitt aber bei hartem und voluminösem Gemüse wie bspw. Knollensellerie. Dennoch hält sich dieser Effekt in Grenzen - ein Spalten oder gar Steckenbleiben passiert diesem Messer jedenfalls nicht!
Weniger gut gefällt mir das Messer für Aufgaben bei denen es schnell gehen muss, typischerweise Dinge die im Wiegeschnitt oder mit etwas mehr Impact gechoppt vonstattengehen, z.B. beim Hacken großer Blattpetersilie-Bünde oder choppen von feinen Gurkenscheiben (ich mache das mit dem vorderen Bereich der Klinge). Beim schnellen Wiegen beißt sich die scharfe und dünne Schneide gerne mal ein wenig ins Eichenstirnholzbrett, und dazu kommt dass meine Schneidtechnik sicher nicht die sauberste ist. Resultat: schon minimales Verkanten wird mit einem Geräusch quittiert bei dem man zusammenzuckt, sich schämt und um die Schneide fürchtet. Beim schnellen Choppen mit etwas mehr Schmackes ist der Schärfeverlust auch ziemlich schnell spürbar. So entstehen natürlich Sollbruchstellen und damit auf Dauer Mikroausbrüche, derer ich im vergangenen Dreivierteljahr einige hatte. Diese waren immerhin nur aus der kleinsten Kategorie, also solche die man gerade so als ein „Hängenbleiben“ spürt wenn man mit dem Fingernagel vorsichtig über die Schneide gleitet.
Allerdings bin ich auch selbst Schuld, da ich mich monatelang geziert habe einen robusteren Winkel anzuschleifen, und auch meine Handhabung nicht wirklich angepasst habe. Mit einer einseitigen Mikrofase von ca. 20° habe ich es zwar probiert, die half aber nicht spürbar. Vielleicht war die aber auch einfach schlecht angeschliffen?! Ich habe das Wakui dann erst neulich, nachdem neue Steine bei mir eingetroffen waren, einen etwas robusteren Grundschliff verpasst (18° pro Seite). Leider bin ich seitdem kaum zum Kochen gekommen, daher kann ich noch nicht sagen inwiefern sich in der Abteilung Schneidkantenstabilität/Standzeit etwas ändert. Letztlich ändert aber auch der robustere Schliff nichts an dem Gefühl mit einem fragilen Messer zu arbeiten. Aus diesem Grund, und weil ich beim Kochen nicht gerne zwischen verschiedenen Messern hin und her wechsle, vermute ich dass eine UF/WH-Geometrie mir möglicherweise besser zu Gesicht stünde.
Fazit
Ein Geheimtipp ist das Wakui V2 KU nicht mehr, ich weiß von einigen Mitgliedern hier dass sie sich kürzlich ein Gyuto oder Nakiri gekauft haben. Kein Wunder, denn für die aufgerufenen Preise erhält man vom JMS sehr viel Japanmesser. Die Serie ist sauber gefertigt, mehrheitlich sehr dünn ausgeschliffen und trotz rustikalem Grundton erstaunlich elegant verarbeitet. Mein einziger, leider doch schwerwiegender Kummer mit diesem Messer ist seine Empfindlichkeit. Nur zu gerne würde ich ein-zwei Ticken Schneidfähigkeit gegen eine bessere Schneidkantenstabilität tauschen. An dieser Stelle sei aber ausdrücklich wiederholt dass ich das Problem hier bei mir selbst sehe, sprich bei meiner teils rücksichtslosen Gangart und vielleicht auch bei meinen suboptimalen Schärffähigkeiten! Um es noch deutlicher zu machen: Diejenigen die mit Konsorten à la Kotetsu, Takamura und anderen Lasern gut zurechtkommen werden mit dem Wakui keine Probleme haben!
Die V2 Kurouchi-Serie, jedenfalls mit dieser Art Griff, ist exklusiv beim JMS zu beziehen. Die Zeichen verdichten sich aber dass die gleichen Klingen auch als „Kochi“ bei JKI (erfolgreich) verkauft werden, und als Budget-knives mit Billiggriffen u.a. auf ebay als „Yamawaku“ verkauft werden. Wenn man es macht wie @zetium, kann man natürlich sehr günstig an eine tolle Klinge kommen und dann einen Custom-Griff dranbauen (lassen), so liegt man möglicherweise immer noch unter den JMS Preisen. Abgesehen davon finde ich die JMS-Preise aber noch absolut fair.
In der Summe aller Eigenschaften bin ich mir zu 99% sicher dass diese Serie und die Kochis aus ein und derselben Schmiede stammen. Das Kurouchi ist beinahe schon unverwechselbar. Das Profil sieht für mich identisch aus, ebenso der Klingenrückenverlauf. Und dass es Geometrieschwankungen gibt, ja gut, das haben wir ja hier gesehen…
Soviel für den Augenblick, viele Grüße!
Philipp
Tja dieses Review hatte ich eigentlich für Januar geplant. Leider kam alles etwas anders, aber zum Glück gibt es Grippeviren die einen mal dazu zwingen zuhause zu bleiben und somit etwas Zeit verschaffen! Nun ist mir flint ja bereits mit einem gewohnt ausführlichen und super bebilderten Review zuvor gekommen. Daher werde ich versuchen insbesondere auch diese Eindrücke zu ergänzen/kontrastieren, und erlaube mir dafür diesen Thread zu kapern (trotz anderer Klingenlänge).
Wakui V2 Kurouchi 240 Gyuto ("Fam. Horie Edition")
Das Gyuto besitze ich nun ein dreiviertel Jahr. Ich hielt zu der Zeit Ausschau nach einem Wa-Gyuto in 24cm Klingenlänge welches mein 21er Carbonext als go-to Messer ablösen sollte. Als ich für einen Freund etwas beim JMS bestellt habe landete das Wakui mit im Warenkorb, ich musste ja schließlich die Versandkosten einsparen! Irgendwie hatte die Zunderschicht bei mir die Assoziation einer etwas robusteren Geometrie hervorgerufen; Lasergeometrien haben mich, jedenfalls für Gyutos, (noch) nicht sonderlich interessiert. Als es dann ankam war die Überraschung groß, die Klinge war für meine damaligen Begriffe nicht nur riesig sondern auch wahnsinnig leicht und dünn ausgeschliffen. Nie zuvor hatte ich eine Klinge so wild buckeln sehen. Ich ahnte schon dass diese Nummer für mich einen Ticken zu filigran sein könnte. Zurückschicken stand aber außer Frage, zu groß war die Neugier wie das Teil schneidet. Meine Vorahnung wurde zwar bestätigt, insgesamt hat mich das Messer aber ganz und gar nicht enttäuscht, denn es hat mir seinen Anschaffungspreis mit toller Schneidperformance und wichtigen persönlichen Erfahrungswerten zurückgezahlt.
Eckdaten
Gesamtlänge: 400mm
Klingenlänge: 255mm, davon nutzbare Schneide: 240mm
Klingenhöhe Kehl: 49mm
Gewicht: 168 gr
Klingenstahl und -aufbau: San Mai, V2 Schneidlage (62-63 HRC), Außenlagen Eisen (rostend) mit Kurouchi und Kasumi-Finish
Schliff: Traditionell japanischer Schliff mit Shinogi-Linie
Geometrie: Primärfase leicht konkav, sehr dünn an der Schneide (leicht nagelgängig), 50/50-Schneide
Griffmaterial: ovale geflammte Kastanie mit Zwinge aus poliertem schwarzem Büffelhorn
Griffdicke: am Griffende 27mm hoch und 22mm breit
Herstellungsland: Japan
Herstellungszeitraum: aktuell
Preis: 190€ vor Versand bei japan-messer-shop.de (siehe auch unten für mögliche andere Bezugsmöglichkeiten!)
Klinge im Auslieferungszustand:
Klinge mit Patina:
Größenvergleich: Carbon-Gang bestehend aus Wakui Gyuto mit Masamoto KS Slicer (280mm) und Kamo Migaki Nakiri (165mm):
Verarbeitung
Dem kundigen Auge fällt sicher sofort der kleine rückenseitige Spalt im Erlloch auf, da fehlt wohl etwas Füllmaterial. Damit wäre ich mit Meckern auch schon am Ende, denn alle anderen F&F Bereiche sind für meine Begriffe schwer in Ordnung bis sehr gut gelöst. Der Griff an sich ist nicht nur sehr schön anzuschauen sondern auch griffig. Das geflammte Kastanienholz ist sehr pflegearm. Der Übergang von Holz zu Zwinge ist spürbar, nicht etwa weil eine Kante übersteht sondern weil sich die Oberflächenbeschaffenheit von geflammter Kastanie und poliertem Horn selbstverständlich unterscheiden. Die Zwinge selbst ist poliert und im Verhältnis zum Holz gut dimensioniert. Kehl und Rücken sind nicht poliert aber anständig gebrochen, das passt auch zur rustikalen KU-Optik. Druckstellen an den Händen hatte ich noch keine. Klar, ich koche ja auch nur für 2 Personen, aber immerhin fallen auch mal größere Mengen Gemüse und Fleisch an wenn für den Hund 1 Monat im Voraus geBARFt wird. Nun zum Kurouchi: das ist grundsätzlich eigentlich nicht so sehr mein Fall, jedenfalls konnte ich mich nie mit dem Typ Kurouchi anfreunden wie wir ihn bspw. von den Kamo/Kanso-Messern kennen. Und wenn ich das auf den Bildern von flint richtig sehe schlägt das KU vom o.g. Tanaka in dieselbe Kerbe. Ich meine diese Art von Kurouchi die pulverartig aufgetragen ist, kaum Struktur hat und sich leicht wegätzen/wegschrubben lässt. Das KU vom Wakui ist das Gegenteil: es ist strukturiert, die Oberfläche sehr glatt. Ich glaube auch nicht dass man das einfach wegätzen kann - habe allerdings nicht vor es zu probieren, denn mir gefällt mir ausgesprochen gut. Das Kasumi-Finish war im Auslieferungszustand sehr sauber ausgeführt und gefiel mir ebenfalls sehr gut. Mittlerweile ist das von bläulich-kupferfarbener Patina überdeckt. Der Anschliff saß sehr sauber, die Auslieferungsschärfe war beeindruckend.
Klingeneinpassung:
Kehl:
Profil
Das Wakui hat einen grandiosen flat spot mit anschließend kontinuierlichem aber flachem Bauch. Die Spitze liegt also ziemlich tief, was dieses Gyuto für den Wiegeschnitt und präzise Arbeiten mit der Spitze zwar nicht unbedingt prädestiniert – es geht aber natürlich trotzdem, und das gar nicht mal schlecht! Schnittgut bis zu einer Höhe von ca. 5cm geht im Wiegeschnitt einwandfrei, darüber wird es mir persönlich zu abenteuerlich.
Profil:
Klingengeometrie
Dann lasst uns mal der Klinge auf den Zahn fühlen…
Erl | 2mm vor dem Kehl | 6cm weiter | 6cm weiter | 6cm weiter | 1cm vor der Spitze | |
Rücken | 4,62 | 3,86 | 2,37 | 1,82 | 1,66 | 0,82 |
Anschliffhöhe (Shinogi) | ./. | 1,75cm | 1,75cm | 1,87cm | 2,02cm | ./. |
Shinogi | ./. | 1,91 | 1,89 | 1,81 | 1,71 | ./. |
1cm über der Schneide | ./. | 1,11 | 1,03 | 0,95 | 0,86 | 0,82 |
5mm über der Schneide | ./. | 0,65 | 0,56 | 0,54 | 0,51 | 0,48 |
über der Wate* | ./. | 0,24 | 0,17 | 0,16 | 0,18 | 0,17 |
*Die Spitze des Messschiebers lag dabei eindeutig über der Wate.
Ein Blick auf den Klingenrücken offenbart zunächst ein ähnliches Bild wir bei flints 21er Gyuto, zumindest was die ersten Zentimeter betrifft. Hier haben wir eine wirklich dicke Anfangsstärke die sich aber abrupt verjüngt, und dann zu Spitze hin schön „tapered“.
Die Kehlansichten hingegen unterscheiden sich fundamental. Während flints Exemplar eher in die Workhorse-Region tendiert (von der Shinogi abwärts konvex), zeigt sich bei meinem Wakui, ähnlich wie bei den hier gezeigten Nakiris derselben Serie, ein drastischeres Bild: auf dem ersten Zentimeter geht es lasermäßig zu, und auch auf dem zweiten nimmt die Klingenstärke zunächst nur langsam zu. Bis dann allerdings - ganz traditioneller Dreilagenjapaner – bei gut 1,75cm über der Schneide (Kehl) bis 2cm (7cm vor der Spitze) die Shinogi-Linie erreicht ist. Dort ist natürlich schon quasi die volle Klingenstärke erreicht.
Kehlshot:
Es geht bei diesem Wakui hinter der Wate also schon etwas anders zu als bei flints 21er-Exemplar. Ich denke bei solch markanten Unterschieden darf man getrost von einer ordentlichen Serienstreuung sprechen, Bilder aus einem Ami-Forum bekräftigen diesen Verdacht. Die bisher gezeigten Nakiris aus der JMS-Serie sind immerhin alle genauso dünn geschliffen wie mein Gyuto, die scheinen aus einem Guss zu sein. Der obere Bereich der Flanken ist ähnlich wie bei flint leicht konkav, allerdings glaube ich nicht dass wir es hier mit einem raffinierten S-grind oder dergleichen zu tun haben, sondern hier wurde einfach etwas ausführlicher geschmiedet. Auswirkungen auf das Schneidverhalten gibt es so weit oben sowieso nicht. Auch die Primärfase ist ganz leicht hohlgeschliffen, was man auf dem Foto leider kaum erkennen kann, aber immerhin angedeutet ist. Die Hohlung ist wirklich minimal, reicht aber aus um das flach aufliegende Polieren auf Steinen (bspw. zum Zwecke eines Kasumi-Finishs) impraktikabel zu machen. Andererseits bedeutet dies dass dieses Messer höllisch gut schneidet und sehr lange ohne Ausdünnen auskommen wird.
Klingenflanke Shinogi aufwärts:
Primärfase:
Performance
Die Schneidlage ist aus V2, einem Stahl der dem Hörensagen nach irgendwo zwischen Shiro- und Aogami liegt, wohl näher an Ersterem - also ein ziemlich reiner Carbonstahl. Entsprechend spielerisch lässt er sich schärfen. Die Standzeit zu beurteilen fällt mir aufgrund meines bescheidenen Referenzrahmens und meiner ebenso bescheidenen Schleifkünste schwer. Die Schneidkantenstabilität würde ich für ein solch dünn ausgeschliffenes Messer als ordentlich einschätzen, dazu gleich noch mehr.
Schneidfreudig ist das Messer zweifelsohne, und nicht zu knapp. In dieser Kategorie ist das Wakui definitiv ganz oben in meiner kleinen Sammlung. Das muss angesichts der schwachen Konkurrenz in meiner Küche nichts heißen, trotzdem vermute ich dass dieses Wakui auch absolut gesehen in der Champions League mitspielt. Insbesondere hartes Gemüse und Fleisch, aber auch das A&O wie Zwiebel und Knoblauch machen richtig Spaß. Auch zum Zerteilen von Sushi-Rollen ziehe ich gerne das Wakui heran, da die Kombination aus hoher Schärfe, dünner Primärfase und Shinogi-Verdrängungseffekt dem klebrigen Reis einiges entgegen setzt! Im unteren Bereich kann es insb. bei Gurken, Zucchini etc. passieren dass Schnittgut sich an die Klinge saugt. Sobald sich dort aber eine ausreichende Menge Gemüse sammelt wird dieses, der Shinogi-Linie geschuldet, sauber abgeschert. Die Shinogi sorgt also insgesamt für ein sehr passables food release, bremst den Schnitt aber bei hartem und voluminösem Gemüse wie bspw. Knollensellerie. Dennoch hält sich dieser Effekt in Grenzen - ein Spalten oder gar Steckenbleiben passiert diesem Messer jedenfalls nicht!
Weniger gut gefällt mir das Messer für Aufgaben bei denen es schnell gehen muss, typischerweise Dinge die im Wiegeschnitt oder mit etwas mehr Impact gechoppt vonstattengehen, z.B. beim Hacken großer Blattpetersilie-Bünde oder choppen von feinen Gurkenscheiben (ich mache das mit dem vorderen Bereich der Klinge). Beim schnellen Wiegen beißt sich die scharfe und dünne Schneide gerne mal ein wenig ins Eichenstirnholzbrett, und dazu kommt dass meine Schneidtechnik sicher nicht die sauberste ist. Resultat: schon minimales Verkanten wird mit einem Geräusch quittiert bei dem man zusammenzuckt, sich schämt und um die Schneide fürchtet. Beim schnellen Choppen mit etwas mehr Schmackes ist der Schärfeverlust auch ziemlich schnell spürbar. So entstehen natürlich Sollbruchstellen und damit auf Dauer Mikroausbrüche, derer ich im vergangenen Dreivierteljahr einige hatte. Diese waren immerhin nur aus der kleinsten Kategorie, also solche die man gerade so als ein „Hängenbleiben“ spürt wenn man mit dem Fingernagel vorsichtig über die Schneide gleitet.
Allerdings bin ich auch selbst Schuld, da ich mich monatelang geziert habe einen robusteren Winkel anzuschleifen, und auch meine Handhabung nicht wirklich angepasst habe. Mit einer einseitigen Mikrofase von ca. 20° habe ich es zwar probiert, die half aber nicht spürbar. Vielleicht war die aber auch einfach schlecht angeschliffen?! Ich habe das Wakui dann erst neulich, nachdem neue Steine bei mir eingetroffen waren, einen etwas robusteren Grundschliff verpasst (18° pro Seite). Leider bin ich seitdem kaum zum Kochen gekommen, daher kann ich noch nicht sagen inwiefern sich in der Abteilung Schneidkantenstabilität/Standzeit etwas ändert. Letztlich ändert aber auch der robustere Schliff nichts an dem Gefühl mit einem fragilen Messer zu arbeiten. Aus diesem Grund, und weil ich beim Kochen nicht gerne zwischen verschiedenen Messern hin und her wechsle, vermute ich dass eine UF/WH-Geometrie mir möglicherweise besser zu Gesicht stünde.
Fazit
Ein Geheimtipp ist das Wakui V2 KU nicht mehr, ich weiß von einigen Mitgliedern hier dass sie sich kürzlich ein Gyuto oder Nakiri gekauft haben. Kein Wunder, denn für die aufgerufenen Preise erhält man vom JMS sehr viel Japanmesser. Die Serie ist sauber gefertigt, mehrheitlich sehr dünn ausgeschliffen und trotz rustikalem Grundton erstaunlich elegant verarbeitet. Mein einziger, leider doch schwerwiegender Kummer mit diesem Messer ist seine Empfindlichkeit. Nur zu gerne würde ich ein-zwei Ticken Schneidfähigkeit gegen eine bessere Schneidkantenstabilität tauschen. An dieser Stelle sei aber ausdrücklich wiederholt dass ich das Problem hier bei mir selbst sehe, sprich bei meiner teils rücksichtslosen Gangart und vielleicht auch bei meinen suboptimalen Schärffähigkeiten! Um es noch deutlicher zu machen: Diejenigen die mit Konsorten à la Kotetsu, Takamura und anderen Lasern gut zurechtkommen werden mit dem Wakui keine Probleme haben!
Die V2 Kurouchi-Serie, jedenfalls mit dieser Art Griff, ist exklusiv beim JMS zu beziehen. Die Zeichen verdichten sich aber dass die gleichen Klingen auch als „Kochi“ bei JKI (erfolgreich) verkauft werden, und als Budget-knives mit Billiggriffen u.a. auf ebay als „Yamawaku“ verkauft werden. Wenn man es macht wie @zetium, kann man natürlich sehr günstig an eine tolle Klinge kommen und dann einen Custom-Griff dranbauen (lassen), so liegt man möglicherweise immer noch unter den JMS Preisen. Abgesehen davon finde ich die JMS-Preise aber noch absolut fair.
Feb 7, 2017 7:56:14 GMT flint said:
zwei Kochi's wurden hier schon gezeigt, bitte schau dir die Bilder mal an, ich konnte da wenig Gemeinsamkeiten ausmachen, zumindest weniger gemeinsames als verbindendes!Aber vier Augen sehen mehr als zwei! Wobei hier anscheinend wirkliche Unterschiede schon innerhalb der Horie-Wakui-KU-Serie zu finden sind! Ist auch die Frage, ob die unterschiedlichen Längen sich nicht auch unterschiedlich auf das gesamte Messer auswirken.
In der Summe aller Eigenschaften bin ich mir zu 99% sicher dass diese Serie und die Kochis aus ein und derselben Schmiede stammen. Das Kurouchi ist beinahe schon unverwechselbar. Das Profil sieht für mich identisch aus, ebenso der Klingenrückenverlauf. Und dass es Geometrieschwankungen gibt, ja gut, das haben wir ja hier gesehen…
Soviel für den Augenblick, viele Grüße!
Philipp