Post by stefan on Jun 6, 2018 10:24:10 GMT
Hiho,
wie im anderen Thread angekündigt hier nun ein Beitrag mit ein paar kleinen Bildern, hatte bis jetzt noch keine Zeit gefunden dazu was zu schreiben:
Was Metallurgie angeht bin ich ja mehr so der interessierte Laie. Die Bücher von Verhoeven sowie Landes hatte ich irgendwann mal gelesen gehabt. Diese Anschliff-Gefügebilder fand ich immer schon ganz spannend, wenn auch immer etwas sehr theoretisch und der Weg "Bildchen im Buch" - "Messer in der Hand" war etwas weit ... Folglich wollte ich das mal selber aufStümperLaienniveau ausprobieren.
Als Testobjekt habe ich mir ein Nakiri von Tosa Hocho vorgenommen. Das ist etwas krumm und für Forenstandards natürlich auch sonst zu pummelig, aber was solls. Auf teureren Messern wollte ich nun auch nicht einfach herumätzen.
Die Klinge besteht laut Homepage aus einer harten Schneidlage Aogami 1 mit weichen Flanken. Um ein sinnvolles Betrachten unter dem Mikro zu ermöglichen musste nun erstmal eine möglichst glatte, kratzerfreie Oberfläche erzeugt werden. Dazu habe ich das Ding per Hand wacklig-ballig geschliffen (bezüglich wirklichen Schneidens natürlich "viel zu hoch"!). Die Abfolge war dabei:
1) Imanishi Bester 1200 (Foto),
2) Naniwa Green Brick ~2k (Foto),
3) Kitayama 8k (Foto),
4) Naniwa SS 12k (Foto),
5) Dia-Leder mit 0.25 mü (Foto).
6) Mit einem altem blanken Lederriemen hab ich dann natürlich wieder Kratzer drauf gemacht und kurz geflucht, deswegen ...
7) Shapton GS 30k + ich hab mich an die Erzählungen von BastlWastl und andreas123 erinnert von wegen Rasiermesser und Zahnpasta. Daher hab ich das Messer zum Schluss auf einem mit Zahnpasta imprägniertem Filz abgezogen. Das Filz war dabei mit doppelseitigem Klebeband auf die Rückseite einer Atoma gepappt. Das half sehr gut und es waren kaum noch Kratzer da (Foto).
Im zweiten Schritt musste die Klinge dann geätzt werden. Folglich wurde der Stahl zuerst mit Wasser+Spüli, Aceton sowie schließlich Essigester entfettet und mit einem Fön getrocknet. Danach habe ich die Klinge mit 3% Nital (Salpetersäure = "nitric acid" in Alkohol) an verschiedenen Stellen für jeweils 10, 30 oder 90 Sekunden geätzt und die Klinge danach gründlich mit Wasser abgespült, mit Aceton gewaschen und getrocknet.
Die weiche Seitenlage (90-Sekunden-Ätzung, obwohl das für Nital wohl eigentlich schon recht lang ist ...) sah dann so aus:
Dank anderer Leute, die sich da viel besser auskennen kann man das wohl so interpretieren: Erkennbar sind recht grobe, helle Ferritkörner (alpha-Eisen, kubisch-raumzentriert). Die dunklen Stellen sind wohl Perlitkörner (also Ferrit + Zementit = Fe3C). Alternativ könnte es sich wohl auch um Bainit handeln, falls an der Perlitnase im ZTU-Diagramm "vorbeigekühlt" wurde.
Die Schneidlage war nun bei 30 wie auch 90 Sekunden Ätzdauer abbildungstechnisch nicht zu gebrauchen, da viel zu starke Korrosion/Patinabildung eingetreten war (Foto der 30s/90s-Grenze). Der 10-Sekunden-Bereich sah auch komisch aus mit blauen Flecken und schwarzen Punkten (Foto); vermutlich handelt es sich da um Ätzfehler laut den Experten ausm Mikro-Forum.
Zum Glück konnte ich im Randbereich der 30-Sekunden-Ätzung doch noch eine brauchbare Stelle auftreiben. Hier war das Ätzmittel erst langsam hingelaufen, vermutlich lag die Ätzdauer damit effektiv auch bei ca. 10 Sekunden. Das sah dann so aus (mit doppelter Vergrößerung im Vergleich zu den Seitenlagenfotos):
Das Korn ist hier sehr viel feiner, was für eine Schneidlage ja auch wünschenswert ist. Aufgrund des hohen C-Gehalts von Aogami 1 hat sich hier Plattenmartensit gebildet (im Gegensatz zum Lanzettmartensit bzw. einer Mischform bei niedrigeren C-Gehalten). Die wenigen hellen Flecken könnten angeblich Restaustenit sein.
Ich fands cool das mal so auszuprobieren, hoffe es gefällt euch. Der Unterschied Seiten-/Schneidlage ist schon deutlich. Insbesondere für höherlegierte Stähle gibt es neben Nital anscheinend noch viele andere Ätzmittel, allerdings sind die leider zum Teil etwas ungemütlicher (Pikrinsäure- oder HF-haltig etc.) ...
Grüße
Stefan
wie im anderen Thread angekündigt hier nun ein Beitrag mit ein paar kleinen Bildern, hatte bis jetzt noch keine Zeit gefunden dazu was zu schreiben:
Was Metallurgie angeht bin ich ja mehr so der interessierte Laie. Die Bücher von Verhoeven sowie Landes hatte ich irgendwann mal gelesen gehabt. Diese Anschliff-Gefügebilder fand ich immer schon ganz spannend, wenn auch immer etwas sehr theoretisch und der Weg "Bildchen im Buch" - "Messer in der Hand" war etwas weit ... Folglich wollte ich das mal selber auf
Als Testobjekt habe ich mir ein Nakiri von Tosa Hocho vorgenommen. Das ist etwas krumm und für Forenstandards natürlich auch sonst zu pummelig, aber was solls. Auf teureren Messern wollte ich nun auch nicht einfach herumätzen.
Die Klinge besteht laut Homepage aus einer harten Schneidlage Aogami 1 mit weichen Flanken. Um ein sinnvolles Betrachten unter dem Mikro zu ermöglichen musste nun erstmal eine möglichst glatte, kratzerfreie Oberfläche erzeugt werden. Dazu habe ich das Ding per Hand wacklig-ballig geschliffen (bezüglich wirklichen Schneidens natürlich "viel zu hoch"!). Die Abfolge war dabei:
1) Imanishi Bester 1200 (Foto),
2) Naniwa Green Brick ~2k (Foto),
3) Kitayama 8k (Foto),
4) Naniwa SS 12k (Foto),
5) Dia-Leder mit 0.25 mü (Foto).
6) Mit einem altem blanken Lederriemen hab ich dann natürlich wieder Kratzer drauf gemacht und kurz geflucht, deswegen ...
7) Shapton GS 30k + ich hab mich an die Erzählungen von BastlWastl und andreas123 erinnert von wegen Rasiermesser und Zahnpasta. Daher hab ich das Messer zum Schluss auf einem mit Zahnpasta imprägniertem Filz abgezogen. Das Filz war dabei mit doppelseitigem Klebeband auf die Rückseite einer Atoma gepappt. Das half sehr gut und es waren kaum noch Kratzer da (Foto).
Im zweiten Schritt musste die Klinge dann geätzt werden. Folglich wurde der Stahl zuerst mit Wasser+Spüli, Aceton sowie schließlich Essigester entfettet und mit einem Fön getrocknet. Danach habe ich die Klinge mit 3% Nital (Salpetersäure = "nitric acid" in Alkohol) an verschiedenen Stellen für jeweils 10, 30 oder 90 Sekunden geätzt und die Klinge danach gründlich mit Wasser abgespült, mit Aceton gewaschen und getrocknet.
Die weiche Seitenlage (90-Sekunden-Ätzung, obwohl das für Nital wohl eigentlich schon recht lang ist ...) sah dann so aus:
Dank anderer Leute, die sich da viel besser auskennen kann man das wohl so interpretieren: Erkennbar sind recht grobe, helle Ferritkörner (alpha-Eisen, kubisch-raumzentriert). Die dunklen Stellen sind wohl Perlitkörner (also Ferrit + Zementit = Fe3C). Alternativ könnte es sich wohl auch um Bainit handeln, falls an der Perlitnase im ZTU-Diagramm "vorbeigekühlt" wurde.
Die Schneidlage war nun bei 30 wie auch 90 Sekunden Ätzdauer abbildungstechnisch nicht zu gebrauchen, da viel zu starke Korrosion/Patinabildung eingetreten war (Foto der 30s/90s-Grenze). Der 10-Sekunden-Bereich sah auch komisch aus mit blauen Flecken und schwarzen Punkten (Foto); vermutlich handelt es sich da um Ätzfehler laut den Experten ausm Mikro-Forum.
Zum Glück konnte ich im Randbereich der 30-Sekunden-Ätzung doch noch eine brauchbare Stelle auftreiben. Hier war das Ätzmittel erst langsam hingelaufen, vermutlich lag die Ätzdauer damit effektiv auch bei ca. 10 Sekunden. Das sah dann so aus (mit doppelter Vergrößerung im Vergleich zu den Seitenlagenfotos):
Das Korn ist hier sehr viel feiner, was für eine Schneidlage ja auch wünschenswert ist. Aufgrund des hohen C-Gehalts von Aogami 1 hat sich hier Plattenmartensit gebildet (im Gegensatz zum Lanzettmartensit bzw. einer Mischform bei niedrigeren C-Gehalten). Die wenigen hellen Flecken könnten angeblich Restaustenit sein.
Ich fands cool das mal so auszuprobieren, hoffe es gefällt euch. Der Unterschied Seiten-/Schneidlage ist schon deutlich. Insbesondere für höherlegierte Stähle gibt es neben Nital anscheinend noch viele andere Ätzmittel, allerdings sind die leider zum Teil etwas ungemütlicher (Pikrinsäure- oder HF-haltig etc.) ...
Grüße
Stefan