Post by Dr. Rock on Jul 6, 2018 19:23:15 GMT
Nun endlich habe ich Zeit und Muse gefunden, mein in den letzten Monaten entstandenes erstes Messer zu fotografieren und ein paar Zeilen dazu zu schreiben.
Vorneweg muss ich sagen, dass ich eigentlich erst seit einem Jahr echtes Interesse an Messern habe. Ich koche nur für meine Frau und mich, brauche also keine große Ausstattung. Meine Frau benutzt grundsätzlich die größeren Messer bei uns in der Küche, ich eher kürzere. Messersammler und so EDC-Geschichten sind auch nicht mein Ding.
Da ich neben meiner eher akademisch-sitzenden Arbeit gerne auch händisch (im Labor) arbeite und das wohl auch ganz gut kann, wollte ich unbedingt mal ein Messer schmieden. Und zwar ein Kochmesser und nichts für den Hosengürtel. Etwas, was man "gebrauchen" kann. Und über meinen letztjährigen Besuch bei den Olchinger Messertagen bin ich schließlich mit Norbert Reiter aus Baar ins Gespräch gekommen und habe bei ihm im Frühjahr eine Kochmesserklinge aus 1.3505 geschmiedet, gehärtet und geschliffen. Meine Akademikerhände haben natürlich beim halbtägigen Schmieden in der mit Holzkohle befeuerten Esse gelitten und der Rohling ist sicher auch eher nur "grob" in Form geschmiedet. Da Norbert Reiter, all seine Klingen aber voll überschleift und ich beim ersten Messer einfach mal machen wollte, habe ich mich an seinen Arbeitsplan gehalten.
....ich lasse mal Bilder sprechen und kommentiere diese nur kurz....
Anheizen der Esse mit selbst hergestellter Holzkohle. Es gibt eben Leute, die machen alles (sein Griffholz stellt er auch selbst her - lagert es ein paar Monate nebenan in einem Bach und trocknet es dann langsam herunter)
Klingenrohling so zwischendurch - hauptsächlich schmerzte meine linke Hand vom ungewohnten Halten der Schmiedezange
Ergebnis des ersten Tages - Rohform geschmiedet und am Bandschleifer in Form gebracht
Zweiter Tag - Härten im Holzkohlefeuer. Klingt romantisch, hat aber seine Tücken. Da Norbert Reiter nicht normalisiert, etc., war das Messer natürlich erstmal krumm. Also das Ganze nochmal.
Ich für mich - als Akademiker - hab klar gelernt: machs das nächste mal richtig! Bringt nix. Aber gut.....
Dann Dünnschleifen am Bandschleifer....ganz vorsichtig ....hat gut geklappt. Klinge mit 400er und 800er Schleifpapier dann mit der Hand schleifen, war eine Qual. Das ist echt (noch) nicht mein Ding...
Den Messergriff anpassen..... auch gelernt: vergiss das mit dem Freihandbohren fürs Erlloch, geht nur schief. Es gab also nur einen temporären Griff für das setzen der Schneidfase auf einem Naturschleifstein (wohl Abtswinder Sandstein (tonig gebundener, weicher Quarzsandstein) war spassig und dann mit diversen Steinen finalisiert.
Zuhause dann der erste Ausflug in die Küche.... ja gut...aber viel zu dick kurz hinter der Spitze.
Und weil ich so bin wie ich bin, hab ich das Messer dann nochmal (oder das erste mal wirklich) dünn geschliffen. Mit der Makita am kroatischen Bandschleifer
Und dann war es auch dünn genug (erstmal). Durchgängig unter 0,2 mm auf 1 mm Höhe. Mehr will ich erstmal nicht! Die genaue Geometrie gibts demnächst.
....weiter gehts. Ich hab mich mal beim Bierbrauer probiert. Jedenfalls sah das so aus - erzwungene Patina (weil das Finish nicht so war wie ich mir das gewünscht habe) mit Zitronensäure und Nescaffe. Meine Frau meinte: sieht aus wie Guiness
Das Ergebnis war nach 10 min in heißer Brühe leider etwas fleckig. Dabei hatte ich die Klinge mit Spüli, Aceton und Isopropanol gut entfettet. Dachte ich. Nach nochmaligem Entfetten, Überschleifen mit Flies und nochmaligem Bad waren die Flecken aber immer noch an genau der gleichen Stelle. (wer hier eine (mehr) Ahnung hat, bitte nur zu. Ich werde das mit dem Patinieren nochmal an ein paar Probestücken probieren. Bin ja Wissenschaftler )
Egal, das Messer muss jetzt endlich mal fertig werden...... die Klinge bleibt so.
Den Griff habe ich dann aus stabilisierter, gestockter Buche und einer dünnen Messingplatte als Abschluss angepasst. Auch an dieser Stelle muss ich noch genauer werden. Ich hatte die Platte schon angepasst und dann ja die Klinge mit 400er, 600er und 800er Nassschleifpapier mühselig aber wieder nur mit mäßigem Erfolg versucht zu satinieren. Dadurch wurde der Erl nochmals minimal dünner. Hab also gelernt: alles der Reihe nach!
Und schlussendlich habe ich mir ein recht schönes, handliches (165 mm Klingenlänge auf 160 g) Kochmesser gefertigt.
Aber was heißt MIR?
Das Messer benutzt nun meine Frau! Was will ich mehr. Sie ist begeistert. Ich bin glücklich und durfte gleich noch ein paar Sachen für weitere Projekte besorgen
Aber jetzt erstmal:
1. ohne Schmieden und "nur stock removal"
2. ordentliche Wärmebehandlung!
3. sorgfältig Dünnshleifen und Kontrolle der Geometrie
4. Griff in Dübeltechnik
5. ...noch mehr Spaß haben.
Finally
Klinge 1.3505 - 165 mm scharf - ovaler Griff aus stabilisierter, gestockter Buche - Messing (2 mm) - 165 g - sauscharf
Nicht perfekt - aber das wird schon.
Zum Schluss möchte ich mich bei allen hier im Forum bedanken, die mich entweder durch ihre hier gezeigten Arbeiten inspiriert haben, meine Fragen beantwortet haben oder auch einfach durch ihre Artikel sehr viel Wissen vermittelt haben. Danke dafür.
Nun wünsche ich Euch ein schönes Wochenende.
Grüße
Heiko