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Post by solace on Aug 5, 2022 8:32:25 GMT
Hallo zusammen, ich habe hier in den letzten Wochen viel über die theoretischen Überlegungen rund um den Anschliff am Bandschleifer gelernt. Aber einige Dinge sind mir weiterhin unklar. Früher habe ich immer gedacht, dass ein höchstmöglicher V-Anschliff das Beste (im Hinblick auf die Schnittfreudigkeit) sei, da hiermit eine sehr dünne Klinge realisiert werden kann. Aber ich lese hier immer vom konvexen/balligen Anschliff, was meines bisherigen Wissens nach mit der Stabilität und dem FoodRelease zu tun hat (?). Da ich den Erstschliff mit einer Schleifführung mache, ist entgegen eines V-Schliffs (wo einfach einmal ein Winkel eingestellt wird), ein balliger Schliff nicht so leicht reproduzierbar/vorstellbar. 1. Daher wollte ich euch fragen, welche Winkel stellt ihr am Anfang bei einer Schleifführung ein, um einen normalen balligen Schliff für z. B. ein userfriendly auszuführen. Ich habe mir mal die Maße von einem Messer aus dem Forum geschnappt und am Kehl versucht, die Winkeleinstellung abzuleiten. Hier würde man dann wohl auf einen ersten Winkel von 7 Grad kommen und dann auf einen weiteren von 3 Grad, bevor man dann sicher das ganze freihand verrundet. Ist das so korrekt, würdet ihr ähnlich vorgehen? 2. Meistens kann ich erkennen, dass der breiteste Teil der Klinge, bei einer z. B. 50 mm hohen Klinge ca. bei 40 mm Höhe liegt und zum Rücken wieder schmaler wird. Das verstehe ich nicht so ganz, würde das nicht bedeuten, man bräuchte hinsichtlich der Schnittfreudigkeit oder des FoodReleases garnicht eine so hohe Klinge? Oder spielen hier andere Kriterien eine Rolle wie Gewicht oder Stabilität? 3. Weiter hätte ich noch zwei kleine Fragen, wie lang lasst ihr den Erl (Spitzerl) in Bezug zur Klingenlänge und wo kann man Küchenmesserklingen am besten Härten lassen in Hinblick auf die beste Wärmebehandlung und eine mögliche Verzugfreiheit bzw. dessen Ausgleich? Viele Grüße Christian
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Post by BastlWastl on Aug 5, 2022 9:15:40 GMT
Falls du über einen regelbaren (min.), bzw. Wassergekühlten Bandschleifer verfügst, würde ich vor dem härten mit 3 Winkeln arbeiten, und an der "Wate" noch min. 0,5-1mm stehen lassen je nach Klingenlänge. Um Verzug zu vermeiden möglichst symetrisch vorschleifen, und wie geschrieben noch genug Materialstärke über lassen. Für die perfekte Härtelösung würde ich suntravel anschreiben, der kann dir auch genau sagen wie du die Klinge vorschleifen solltest. Wenn gut und günstig reicht dann schanz. 2. Meistens kann ich erkennen, dass der breiteste Teil der Klinge, bei einer z. B. 50 mm hohen Klinge ca. bei 40 mm Höhe liegt und zum Rücken wieder schmaler wird. Das verstehe ich nicht so ganz, würde das nicht bedeuten, man bräuchte hinsichtlich der Schnittfreudigkeit oder des FoodReleases garnicht eine so hohe Klinge? Oder spielen hier andere Kriterien eine Rolle wie Gewicht oder Stabilität? Nun das nennt sich Walkschliff, der mehr oder minder wenn korrekt ausgeführt eine weniger hohe Klinge "simuliert". Je schmaler eine Klinge ist desto besser ist auch der Foodrelease, denn wo kein Stahl ist kann auch nix anpappen. Neben vielen FR Konzepten funktioniert eine klassisch dünn geschmiedete Klinge mit Schmiedehaut und tiefem Anschliff wohl am besten, der entscheidende Bereich hierbei ist der neben dem FR auch hauptverantwortlich für die Schnittfreude ist, etwa Anschliff bis ca. 9mm die höhe der Primärfase. Der Bereich ist idealerweise so stark ballig wie möglich bei einer maximalen Klingenstärke von 0,7 (Laser) bis 0,15cm (WH) . Für mich kommt es immer auf den Anwendungszweck an, denn sowohl leichter Schnitt als auch Foodrelease sind sehr stark von der Schnitttechnik abhängig (im Bezug auf die genutzte Klingenpartie beim schneiden). 3. Weiter hätte ich noch zwei kleine Fragen, wie lang lasst ihr den Erl (Spitzerl) in Bezug zur Klingenlänge und wo kann man Küchenmesserklingen am besten Härten lassen in Hinblick auf die beste Wärmebehandlung und eine mögliche Verzugfreiheit bzw. dessen Ausgleich? Härten habe ich schon weiter oben beantwortet, die Länge des Erls kommt darauf an wie dick die Klinge ist. Rein von der Stabilität reichen wenige cm bei verklebung mit Epoxy aus wenn es sich nicht um ein Hackmesser handelt. Also 3cm im Griff reichen für ein normales Küchenmesser dicke (macht die Industrie ja auch nicht anders.). Wichtiger ist wie ich finde die Balance auf die man abzielt da kann man schon was machen mit nem dicken langen Erl, aber das musst du selber wissen. Für mich ist der ideale Schwerpunkt bei einem großen Kochmesser ca. an dem Punkt an dem meine Finger (Zeigefinger) im Pinchgrip anliegen. Also ca. 5cm vor dem Griffende bei einem Steckerl. Grüße Wastl.
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Post by jaeger on Aug 5, 2022 19:30:13 GMT
Mit ner schleiflehre geht das wunderbar, nutze ich auch sehr sehr gern. Der Winkel kann zB auch zur Spitze hin, bis an die schneide runter, flacher werden. Du kannst also zB 7° über die komplette Länge schleifen, bis an die schneide (wie @bastlwastl sagt genug Fleisch vor dem härten übrig lassen). Dann zB 5° schleifen aber zum Kehl hin, sagen wir 30-40mm davor, nicht mehr bis zur schneide runter. Dann 4° bis zur schneide runter und weitere 30-40mm vor dem vorherigen "Absatz" aufhören. Dann 3° usw. So erzeugst du zur Spitze hin einen flacher werdenden Schliff und einen schönen taper. Du hörst aber dort nicht jeweils abrupt auf sondern lässt es zum Kehl hin auslaufen. Etappenweise... Das stufige Bild kannst du dann per Hand oder am Rotary zB Wunderbar ballig glätten. Nach dem härten kannst du dann zB 8° bis auf fast null schleifen, am Stein eine fase setzen und dann ballig wieder glätten bis auf 0. Deine wate ist deine Richtlinie. Dann deine Finale fase anbringen und fertig. Keine Ahnung ob ich das verständlich genug beschrieben habe Probier dich aus. Schnapp dir paar Reste und schleif einfach drauf los. So bekommst du ein Gefühl und Verständnis dafür Gruß Fabian ✌️
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Post by solace on Aug 8, 2022 9:02:00 GMT
Hallo zusammen,
wow, vielen Dank für diese konkreten Hinweise!!!
Ja ich habe einen Messer-Bandschleifer mit Frequenzumrichter, kaufe mir aber auch nächsten Monat die hier vorgestellte Minimalmengenkühlung, dann sollte das mit dem nachträglichen Schleifen kein Problem sein. Danke für die Tipps zu suntravel und schanz, ich werde mich mal an suntravel wenden, da ich schon das Maximum rausholen möchte.
Vielen Dank auch für die Infos zum Anschliff und der Erllänge, ich habe erst jetzt einige wesentliche Punkte für eine schnittfreudige Klinge verstanden und hatte vorher einige Punkte garnicht auf dem Schirm - so auch dass die Länge des Erls relevant für die Gewichtsverteilung ist, damit werde ich gleich mal bisschen spielen.
Das ist eine super Anleitung, jetzt kann ich mir das sehr gut vorstellen, wie der Schliff praktisch gesetzt wird. Ich werd gleich mal in die Werkstatt gehen und mich ausprobieren - vielen vielen Dank!
Ja leider habe ich bei meinem ersten Küchenmesser gleich nen DSC Damast von Balbach genommen und den völlig versaut, sodass jetzt wahrscheinlich noch nicht mal mehr nen Petty dabei rauskommen wird, da viel zu dünn. Daher werde ich jetzt wirklich mal an günstigem Stahl üben und dann gerne hier mal meine Fortschritte posten.
Viele Grüße
Christian
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Post by BastlWastl on Aug 8, 2022 9:33:53 GMT
da ich schon das Maximum rausholen möchte. Da gebe ich dir noch nen Tip. Als Koch sehe ich die maximale Leistung bei 2 verschiedenen Ansätzen gegeben: Zum einen gut wetzbare Messer die können aus einfachen C-Stählen sein, da reicht schon ein CK75 oder Standart Solinger Nirosta (1.4116 z.B:) bis hin zu 14C28 oder ähnlichem. Wichtig dabei relativ hoch anlassen bzw. die Härte auf max. HRC 60 +/-1 einstellen lassen. Dies ist der Königsweg, denn mit ein bisschen wetzen (Dick Microfeinzug) lassen sich solche Messer selbst im Profibusiness sehr lange scharf halten. Zudem sind sie im gehärteten zustand noch gutmütig zu bearbeiten. Die andere Variante für Fortgeschrittene währe auf hoch legierte Stähle zurückzugreifen (W und oder V legiert mit min. 2%) also beginnend mit 1.2562 (mein Liebling) bis hin zu extremen Stahlsorten (Vanadis 23 z.B.). Die haben dann mit dem richtigen Schärfknowhow und Ausrüstung eine extreme Schnitthaltigkeit. Alles dazwischen, also so Spezialisten wie SC125/145, 1.2519, Shirogami, Aogami, C135 etc. mit hoher Härte (HRC 62+) machen nur für Spezialanwendungen Sinn (einseitige Slicer bei denen es auf Schneidkantenstabilität ankommt, also Winkel unter den hier empfohlenen 36 Grad aufweisen und für wenig Brettkontakt ausgelegt sind ) . Denn selbst ein HRC 65 Shirogami Honyaki Gyuto wird nicht zwangsläufig länger effektiv schneiden als ein Solinger Standarteisen, und kann nicht mehr gewetzt werden also, man muss selbst als Hobbykoch wenn man nicht auf die Schnitttechnik achtet (Brettkontakt!) nach ein paar Mahlzeiten nachgeschärft werden auf Steinen. Von Damast würde ich ohne zu schmieden generell absehen da beim Stockremoval der Materialverlust viel zu groß ist. Ein 120*40*10mm Stück reicht z.B. locker aus für ein 6cm hohes 30cm Klingenlängen Gyuto mit dickem Erl. Da spart man sich bei z.B: Balbach DSC schon mal gut die hälfte und hat obendrein ein angenehm griffiges Messer. Bei gleicher Materialstärke am Erl währe die Ersparnis vom geschmiedeten Stück noch viel höher. Grüße Wastl.
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Post by jaeger on Aug 8, 2022 14:26:47 GMT
Als gute, solide Stähle zum austoben kannst du zB 1.1274 oder 1.2067 nehmen. Die sind sehr günstig und liefern brauchbar ab am Ende. Wobei ich da den 2067 dem 1274 vorziehen würde.
Gruß Fabian ✌️
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Post by solace on Aug 8, 2022 20:43:25 GMT
Hallo zusammen, war heute in der Werkstatt und habe eine Kochmesserklinge mit 250 mm Schneide / 50 mm hoch geschliffen. Ausgangsmaterial war ein Flachstück 1,2510 in 4 mm Stärke. Mit euren Tipps ist es mir sehr gut gelungen, die Klinge schön ballig zu schleifen und im ersten Drittel einen Flachschliff zu realisieren, der nach hinten ausläuft und dann stark ballig wird. An der Wate sind nun noch genau 0.9 mm - ich bin mir aber nicht sicher, ob ich weiter oben hätte insgesamt so viel stehen lassen müssen, vielleicht kann jemand das von euch beurteilen? BastlWastlVielen Dank für deine Tipps zur Stahlwahl, ich hatte schon mit großem Interesse deinen/euren Beitrag zur Schnitthaltigkeit VS Effizienz gelesen und viel für mich mitgenommen. Leider war das nachdem ich bereits 1.2442, 125SC und 1.2510 gekauft hatte... Habe dann aber noch 1.2003 nachgekauft, da ich denke, dass der sich auch sehr gut als einfacher Carbonstahl eignet. Ich danke euch beiden für eure Empfehlungen zu einfachen Stählen (@jaeger), ich werde bei der nächsten Lieferung mal einige davon mitbestellen. Vom 1.2562 hab ich seit gut 5 Jahren auch noch ne fettes Stück in 10x40 mm glaube ich hier liegen... Da bräuchte ich mal jemanden zum ausschmieden, aber erst, wenn das mit dem Schliff sicher läuft, bei dem hätte ich keine Lust was für die Tonne zu produzieren und etliche Bändern durchzuhauen. Ja mit dem Damast haste natürlich recht, aber da ich selber keine Möglichkeit zum Schmieden habe und eben manchmal auf die Ästhetik stehe, bleibt einem nichts anderes übrig... Natürlich ist hier alles Runtergeschliffene bares Geld und auch nur der Erl hat einen stolzen Preis... Erstmal bin ich auch geheilt und will an günstigen Stählen lernen. Paar Jagdmesser mit nem reinen Flachschliff zu schleifen ist ja entgegen einem Küchenmesser reines Malen nach Zahlen... Viele Grüße Christian
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