[Tutorial] Messer frei Hand schärfen für Anfänger
Jan 28, 2017 6:53:54 GMT
BastlWastl, Karnstein, and 30 more like this
Post by andreas123 on Jan 28, 2017 6:53:54 GMT
Irgendwann wird jedes benutzte Küchenmesser einmal stumpf oder lässt zumindest in der Schärfe nach. Dieses Tutorial soll Anfängern helfen, die ersten Hürden beim Schärfen ihrer Küchenmesser zu überwinden und aufzeigen, wie sie ihre Messer auf Schleifsteinen wieder flott bekommen. Das ist gar nicht so schwer.
Teil1: Grundsätzliches
Zunächst sollen ein paar Grundbegriffe zu Kochmessern und Schleif-/Schärfutensilien erläutert werden, da diese im Folgenden immer wieder genannt werden.
Bestandteile eines Messers:
Die drei wichtigsten Anschliffarten von Kochmesserklingen:
Schleifsteine
Schleifsteine sind aus künstlichen Materialien hergestellte oder der Natur entnommene Schleifwerkzeuge, deren Oberfläche unterschiedlich rau oder fein ist. Die Oberfläche muss unbedingt eben und von Fremdverschmutzungen befreit sein. Sie können unterschiedliche Formen von rund bis eckig oder unförmig gebrochen aufweisen. Dieses Tutorial beschreibt ausschließlich den Einsatz quaderförmiger Schleifsteine.
Kunstschleifsteine
Bei künstlichen Schleifsteinen handelt es sich in der Regel um vollständig synthetische Schleifsteine, die aus abrasiven Materialien - wie Aluminiumoxid (Korund), Siliziumcarbid und ähnlichem - bestehen und z.B. mit Kunstharzen gebunden werden. Eine weitere Gruppe der künstlichen Schleifsteine bilden die Keramiksteine. Diese bestehen aus keramischen Schleifpartikeln, die in der Regel nicht in Kunstharz gebunden, sondern hartgebrannt werden. Keramische Schleifsteine sind härter, abnutzungsbeständiger, aber auch teurer als in Kunstharz gebundene Steine. Die dritte wichtige Gruppe sind Diamantschleifsteine, oder -Platten. Diese werden in diesem Tutorial nicht als Schleifsteine beschrieben, sondern dienen uns nur als Hilfe zum Begradigen der Schleifsteine.
Bei den künstlichen Schleifsteinen gibt es noch Unterschiede bei der Wasseraufnahme. Viele Steine müssen vor der Benutzung erst einmal eine gewisse Zeit gewässert werden um sich vollzusaugen. Andernfalls zieht jedes aufgebrachte Wasser sofort in den Stein ein. Anders ist es bei sogenannten Splash & Go Steinen. Diese brauchen nur ganz kurz gewässert werden oder sogar überhaupt nicht.
Naturschleifsteine
Die unter Hobbyschleifern so begehrten Naturschleifsteine bilden keine einheitlich beschreibbare Gruppe. Die Vielzahl unterschiedlicher Materialien unterscheiden sich in Anwendung, Bestandteilen und Herkunft so stark, dass sie in einem eigenen Tutorial beschrieben werden sollten.
In diesem Tutorial werden sie nicht weiter beschrieben.
Öl- und Wasserschleifsteine
Um die Verwirrung auf ein noch höheres Niveau zu heben unterscheidet man bei allen Schleifsteinen auch noch zwei grundsätzliche Gruppen:
Wasserschleifsteine und Ölschleifsteine. Erstere werden zum Schleifen mit Wasser, Zweitere mit Öl als Schleifhilfe verwendet. Im Folgenden werden nur Wasserschleifsteine verwendet.
Körnungsangaben
Abgesehen von Naturschleifsteinen werden synthetische Schleifsteine entsprechend ihrer Verwendung mit Körnungsangaben versehen. Eine kleine Zahl bedeutet sehr grob, eine sehr hohe Zahl sehr fein. Meistens werden die Körnungen in „JIS“ angegeben. Dies bezieht sich auf die Körnungsnorm japanischer Schleifsteine. Die in diesem Tutorial genannten Körnungsangaben beziehen sich alle auf „JIS“.
Preise
Die Preise für die verschiedenen Schleifsteine variieren sehr stark. Generell kann meist die Faustformel „Kunstharz, Keramik, Natur“ als Grundsatz angenommen werden. Wobei die Preissteigerung in der Reihenfolge von wenigen zehn bis zu deutlich über 1.000 Euro betragen kann. Für Anfänger sind sehr gute „Kombischleifsteine“, also Schleifsteine mit zwei Seiten unterschiedlicher Körnung, am Markt zu sehr humanen Preisen von um die 50 bis 100 Euro zu bekommen. Diese reichen meist sogar den ganz versierten Hobbyschleifen und auch Köchen zur Scharfhaltung ihrer Messer. Außer für Liebhaber wie mich (Ich nenne keinen weiteren Namen wer sonst noch so alles Knäckebrot essen muss, weil alles in die Steine fließt), gilt die Devise: Einfach ist am sichersten und günstigsten - und am pragmatischsten.
Also bitte, liebe Anfänger, lasst Euch nicht von den vielen tollen Steinen blenden! Ein Kombistein mit 1000/4000 oder 1000/6000 ist für die Küchenmesserschärferei vollkommen ausreichend.
Meiner Meinung nach ist alles über 5000 JIS ohnehin nur besonderen Schnitttechniken oder den Fetischisten sowie Profis unter uns vorbehalten.
Ein letzter Hinweis: Ich habe noch keinen Schleifstein bekommen, der 100% Plan, bzw. gerade abgerichtet war. Augenscheinlich schon, man sieht eventuelle Unebenheiten aber nicht sofort mit dem bloßen Auge. Darum ist anzuraten, jeden neuen Schleifstein vor der ersten Benutzung zu begradigen. Dies sollte auch nach jedem, spätestens aber vor jedem Schleifvorgang durchgeführt werden. Zudem wird die Oberfläche des Schleifsteins wieder poröser und die Schärfleistung steigt. Dies bezeichnen die meisten als "den Stein öffnen".
Wie dies durchgeführt werden kann, wird am Ende des Tutorials beschrieben.
Beispiel Keramik Schleifsteine:
Kunstharzgebundener Synthetikstein mit zwei unterschiedlich groben Körnungen (Kombistein):
Naturschleifsteine:
Grundsatzfrage Schärfen, Schleifen, Polieren?
Das kann jeder halten wie er will. Allgemein werden meist folgende Definitionen verwendet:
Schärfen: Das Anbringen einer gleichmäßigen, schneidfähigen Schneide an eine Messerklinge, die das Schneiden erst ermöglicht.
Schleifen: Abtrag von überflüssigem Metall der gesamten Klinge oder Teilen davon sowie der Grundschliff einer Messerklinge zur grundsätzlichen Formgebung.
Polieren: Die Oberfläche der Schneidfase oder der Klingenflanke mit feinsten Körnungen von Schleifspuren befreien. Manchmal mit dem Wunsch Spiegelglanz zu erzeugen verbunden.
Teil 2: Warum Messer schärfen?
Ein Messer ist mit einer für bestimmte oder allgemeine Schneidaufgaben bestimmten Schliffgebung versehen.
Europäische Messer sind oftmals leicht ballig geschliffen.
Das bedeutet, dass die Primärfase, oder nur die Schneidfase (Sekundärfase) leicht rund ausgeschliffen sind.
Dies erhöht die Schnitthaltigkeit (Zeit bis die Klinge stumpf erscheint), bietet aber meist nur eine durchschnittliche Schärfe.
Japanische Messer sind oft flach geschliffen.
Das bedeutet, die Primärfase und Schneidfase sind in einem geraden Winkel geschliffen.
Die Schneide kann so sehr fein und scharf ausgeschliffen werden.
Dies ermöglicht eine enorme Schärfe bei sehr harten und feinen Klingenstählen, ist aber für die typische und durchschnittliche „Hobbyhandhabung“ meist nicht geeignet, da die Schneide bei japanischen Messern mit einem sehr kleinen Winkel versehen wird. Dazu später.
Diese Aussagen sind wirklich sehr allgemein gehalten und nur zur Anschauung exemplarisch dargestellt.
Nach einer gewissen Nutzungszeit wird die Schneide durch die dauernde Beanspruchung an ihrer Spitze kleine Ausbrüche erleiden, flach werden oder sich verbiegen. Dann ist es gefühlt stumpf. Eigentlich auch faktisch, aber manche Hobbyköche würden auch noch mit dem Klingenrücken Tomaten und Zwiebel klein bekommen. Warum schreibe ich das? Jeder muss für sich Schärfe selber definieren!
Bei mir muss ein noch halbwegs scharfes Messer durch eine reife Tomate ohne die Haut einzudrücken oder eine Zwiebel waagerecht in drei vier Schnitten ohne auseinanderzufallen schneiden. Paprika soll es auch mit der Hautseite nach oben ohne Druck schneiden.
Egal wann wer ein Messer als stumpf empfindet: wer einmal ein richtig gut geschärftes Messers benutzt hat, wird dieses Schneidgefühl immer wieder spüren wollen. Hoffentlich...
Teil 3: Ein kleiner Hinweis zum Messerstahl
Europäische Kochmesser sind vom Prinzip her erstens auf europäische Schnitttechniken, wie z.B. den Wiegeschnitt, und zweitens mehr auf Schnitthaltigkeit und Robustheit ausgelegt. Außerdem muss es bei uns Europäern meist schnell gehen. Wir schneiden eher "bämmbämmbämm Junge", wie krassi sagen würde, nicht wie die Japaner, die schon mal gar kein Fleisch im Ganzen mit Knochen in der Küche verarbeiten. Japanische Schnitttechniken sind eher Zug- oder Schubschnitt. Es wird kaum Druck ausgeübt und die Schneide berührt nur minimal die Schneidunterlage.
Darum sind bei europäischen Messern eher zähere und hoch legierte, aber nicht so harte Stähle marktvorherrschend. Die Härte von Stählen wird i.d.R. in Härte nach Rockwell angegeben. (HRC: Hardness Rockwell, das C beschreibt nur die Prüfmethode) Rostfreie Messer bestehen häufig aus „Solinger Standardstahl“. Oft findet man die Bezeichnung X50CrMoV15, was auf die Legierung hinweist. X steht für rostfrei, 50 für 0,50 % Kohlenstoff und 15 für 15 % Chrom. Zusätzlich sind hier in der Menge nicht angegebene Mengen an Molybdän und Vanadium enthalten. Dieser Stahl wird meist mit einer Härte von unter 60 HRC gehärtet. Die Regel sind wohl 50 bis 56 HRC.
Eine Ausnahme bilden Messer aus Carbonstahl. Diese sind niedriglegiert und meist hoch gehärtet und somit spröder. Sie brechen leichter aus, sind aber feiner im Stahlgefüge und lassen sich deswegen meist viel schärfer schleifen. Hier sind Rockwellhärten von 62-64 HRC keine Seltenheit.
Japanische Messer werden natürlich auch rostfrei angeboten. Oft sind hier aber auch Carbonstähle im Einsatz. Insbesondere bei den sogenannten Sanmai-Klingen. Diese bestehen aus einer meist sehr hoch gehärteten Schneidlage in der Mitte und unterschiedlichen weicheren / zäheren Außenlagen. Dann sind oft Stahlbezeichnungen wie Aogami oder Shirogami zu lesen.
Um hier nicht zu viel Verwirrung zu stiften wird ab hier kein Legierungschinesisch mehr erwähnt.
Klingenformen und Schneidaufgaben
Da es so viele verschiedene Klingenformen und Schneidaufgaben gibt, die spezielle Aufgaben wie
- Fleisch filetieren
- Fisch filetieren
- Fleisch ausbeinen
- Tranchieren
- Parieren
- Gemüse schneiden
- Schälen
- und, und, und…
erledigen sollen, beschränkt sich die Anleitung auf das Allroundmesser in der Küche: Das europäische Koch- oder Chefmesser.
In welchem Winkel soll das Messer geschliffen werden?
Das Tutorial soll das schärfen von Küchenmessern für Anfänger erleichtern. Deshalb wird hier nicht auf eine ballige Schliffgebung oder spezielle Schleiftechniken eingegangen. Das Tutorial will nur die grundlegen Techniken oder Handhabungen verdeutlichen. Dies ist anhand des Flachschliffs am einfachsten nachzuvollziehen.
Soll nun die Klinge geschärft werden, muss man sich darüber im Klaren sein, welcher Schneidaufgabe das Messer zugeführt werden soll.
Diese bestimmt nämlich, neben der Klingengeometrie, welcher Schneidenwinkel am sinnvollsten ist. Grundsätzlich kann zwischen zwei unterschiedlichen Anschliffen unterschieden werden: dem Europäischen und dem Japanischen. Es gibt sicher noch mehr, aber im normalen Küchengebrauch sind diese eher selten.
Europäische Kochmesser werden ab Werk meist mit einem Schneidenwinkel um die 40° ausgliefert, japanische eher mit viel kleineren Winkeln. Oft wird ein Schneidenwinkel von 30° empfohlen.
Allen Anfängern sei jedoch empfohlen, zunächst den Schneidenwinkel des Herstellers beizubehalten um anfangs nicht mit irgendwelchen Winkel rumzuexperimentieren.
Teil 4: Zubehör
Empfehlenswerte Utensilien
Zunächst ist das Wichtigste sich passende Schleifsteine zu besorgen.
Schleifsteine werden in unterschiedlichen Körnungen angeboten. Die unterschiedlichen Körnungen werden für unterschiedliche Schleifaufgaben verwendet.
Allgemein sind kleine Körnungsangaben sehr grob und für grundlegende Formgebungen gedacht, sehr hohe Körnungsangaben polieren nur noch die Oberfläche und verändern die Schneidengeometrie nicht mehr maßgeblich.
Beispiele:
Körnung Aufgabe
220 Grobe scharten ausbessern, Klinge begradigen, Winkel anlegen
400 Grobe scharten ausbessern, Klinge begradigen, Winkel anlegen
1000 Mittelschliff und Winkelausbesserung
2000 Feinschliff, Schneidenpolitur, Vorfinish
4000 Feinschliff, Schneidenpolitur, Finish
6000 Feinschliff, Schneidenpolitur, Finish
Wenn eine Messerklinge noch keine großen Ausbrüche hat, sondern nach normalem Gebrauch einfach keine scharfe Schneide mehr hat, sind für den Hausgebrauch die Körnungen 1000 und 4000 bis 6000 vollkommen ausreichend um wieder eine sehr gute Küchenschärfe herzustellen. Das wird sogar "sehr" scharf.
Normale Abnutzung, keine Ausbrüche mit dem Auge zu erkennen:
Klingenausbrüche:
Falls Ausbrüche zu erkennen sind, oder beim Schneiden alles etwas hakelig wirkt, dann kann man einen groben Stein (400) einsetzen um diese zu beseitigen. Dieser ist aber nicht zwingend notwendig, auch ein 1000´er Stein schafft das. Es dauert nur etwas länger.
Besonders empfehlenswert für Einsteiger sind Kombinationssteine mit zwei Körnungen, wie etwa 800/5000, 1000/4000 oder 1000/6000. Diese sprengen anfangs nicht die Hobbykasse und sind nach vielen Aussagen im Kochmalscharf-Forum teils von hervorragender Qualität.
Weitere Hilfsmittel
Schleifsteine sollten auf einer geraden rutschfesten Auflage liegen.
Das kann im Behelfsfall ein feuchtes dünnes Küchenhandtuch sein.
Moosgummiunterlagen eignen sich auch sowie diese dünnen schwarzen Antirutschmatten, die unter Teppichläufer gelegt werden.
Einen sicheren Stand erhalten Schleifsteine in jedem Fall mit speziellen Schleifsteinhaltern.
Diese lassen sich auf die Steingröße einstellen und erhöhen zudem die Schleifauflage, was die Arbeit erleichtert.
Schleifsteinhalter:
Am Anfang reicht auch ein nasses Handtuch oder eine Antirutschmatte als Unterlage:
Da beim Schleifen Wasser als Hilfsstoff verwendet wird, sind einige Handtücher oder ähnliches sinnvoll, wenn man nicht über dem Waschbecken schärft.
Für das Waschbecken gibt es spezielle Schleifbrücken:
Wenn mit Splash & Go Steinen gearbeitet wird, dann ist eine Spritzflasche oder eine Pumpsprühflasche sehr hilfreich um die Wassermenge auf ein Minimum zu reduzieren:
Eventuell eine kleine Wasserwanne:
Zur Begutachtung des Schärfergebnisses ist die Verwendung einer Lupe sehr empfehlenswert. Wer es auf die Spitze treiben möchte, benutzt ein USB-Mikroskop.
Zum Entgraten sind ein Korken und ein Stück Hartholz nützlich:
Zum Kontrollieren, ob man auf der Schneide schleift, lohnt sich in jedem Fall ein dicker Edding.
Da sich die Schleifsteine durch das Schleifen abnutzen, empfehle ich für den Anfang die Anschaffung von Nassschleifpapier. Dieses nass auf eine glatte und ebene Oberfläche gelegt, dient dann dazu die Steinoberfläche wieder zu begradigen, dazu weiter unten mehr.
Teil 5: Das Schärfen
Nun kann es endlich losgehen.
Ein nachzuschärfendes Messer liegt bereit. Ein Kombischleifstein oder zwei Steine unterschiedlicher Körnung, Schleifsteinhalter oder –unterlage auch.
Zunächst müssen die Schleifsteine, sofern sie nicht „Splash & Go“ sind gewässert werden.
Ob und wie lange steht in den Anleitungen zu den Steinen oder ist im Internet zu recherchieren.
Das weiter oben genannte Kochmesser hat einen Werksanschliff, dessen Winkel wir nicht kennen. Entweder wir versuchen den Originalwinkel herauszufinden oder wir legen gleich einen neuen Winkel nach unserem Gusto an.
Winkel einstellen oder herausfinden
Der Schleifwinkel beträgt bei symmetrisch geschliffenen Messern, wie z.B. bei den meisten europäischen Messern, die Hälfte des Schneidenwinkels.
In dem vorliegenden Beispiel eines europäischen Kochmessers mit einem angenommenen Schneidenwinklel von etwa 40° beträgt der Schleifwinkel also 20°.
Dieser wird von der Steinoberfläche bis zur Mitte des Klingenrückens gemessen.
Wer den Winkel über die Höhe des Klingenrückens und die Schenkellänge der Klinge nicht berechnen möchte, legt entweder einfach die Klinge im 45° Winkel auf den Stein und verringert den Winkel dann um über die Hälfte oder liest sich aus nachfolgender Tabelle anhand des geplanten Schleifwinkels und der Klingenhöhe den Abstand von Stein zu Klingenrücken ab.
Wer nicht in der Tabelle lesen möchte um den Abstand zu ermitteln, der darf auch rechnen. Insbesondere bei anderen Maßen und Winkeln als in der Tabelle vorhanden.
Dazu hat andreas123 , ein Exceltool geschrieben, mit dem Ihr durch Eingabe des gewünschten Winkels und der Klingenhöhe den Abstand der Klingenmitte zum Schleifstein sofort angezeigt bekommt:
Das Exceltool gibt es hier zum Download Abstand Klingenmitte zum Schleifstein.xlsx (20.05 KB)
So kann man sich das Ganze mit einem Lineal ermessen oder stellt sich für die Zukunft einen kleinen Abstandhalter aus Holz her. Die Striche auf dem Foto zeigen an, in welche Richtung der Winkel gemessen werden sollte.
Den Originalwinkel kann man u.a. mit der Eddingmethode herausfinden.
Dabei wird die Schneidfase komplett mit dem Edding bepinselt und auf dem feinsten vorhandenen Stein vorsichtig mit ein paar Rückwärtszügen getestet wann mit einem Zug die gesamte Schneidfase vom Edding befreit ist.
Kontrolle mit Lupe:
Auf dem Foto rechts ist der Winkel getroffen.
Diese Messerhaltung muss man sich merken für den gesamten folgenden Schärfvorgang. Das wird der sogenannte Schleifwinkel.
Die Eddingmethode ist auch ideal um zu kontrollieren, ob man immer im selben Winkel auf dem Schleifstein schleift.
Ist der Winkel in dem die Messerklinge zum Schleifstein gehalten werden muss erst einmal festgestellt, dann kann es losgehen.
Es gibt hunderte Varianten wie das Messer auf dem Stein geführt werden kann.
Es empfiehlt sich das Messer etwas schräg zum Stein zu halten, da die Auflagefläche so etwas größer ist als im 90° Winkel. Dabei sollte man beachten, dass die Klingenspitze oft wesentlich schmaler ist als der Klingenanfang. Das heißt, dass an der Spitze der Winkel mit dem das Messer eigentlich gehalten werden soll, etwas erhöht werden sollte.
Anfängern wird es wahrscheinlich einfacher fallen, das Messer vom Körper weg zu schieben und für die andere Seite der Klinge die Haltehand zu wechseln. Viele schärfen aber auch so, dass der Griff immer in einer Hand bleibt und beim Umdrehen der Klinge dann zum Körper hin geschoben wird. Das erfordert aber schon einige Übung, dabei dann den Winkel zu halten. Ich schärfe zwar immer von der Spitze zum Klingenanfang, aber einfacher ist es, wegen des zu haltenden Winkels, vom Klingenanfang zur Klingenspitze hin zu schärfen. Dabei hält die Griffhand weit über den Klingenanfang hinaus auch die Klinge fest, während mein Daumen anfangs zwischen Stein und Klingenrücken den gewünschten Winkel fixiert. Die Finger der anderen Hand liegen auf dem Klingenrücken an der Klingenspitze, so dass die Fingerkuppen den Stein berühren. Das verhindert Gewackel und stellt sicher, dass die Spitze auf dem Stein aufliegt.
Dabei wird die Klinge mit etwas mehr oder weniger Druck schräg nach vorne geschoben und ohne Druck wieder zurück gezogen.
Nach einer Weile bildet sich an der Schneide ein Grat. Dies ist das Zeichen, dass die Schneidfase durchgeschliffen ist.
Der Grat steht etwas nach oben und ist gut mit den Fingern erfühlbar.
Wer sich das nicht zutraut, kann auch ein Wattepad nehmen und auf der vom Stein wegzeigenden Seite vom Klingenrücken nach unten zur Schneide über die Klinge fahren. Dadurch verhaken sich die Wattefäden und bleiben an dem Grat hängen. Ist der Grat über die gesamte Klingenlänge spürbar, kann die Klinge umgedreht werden.
Nun wird das Gleiche wie vorher mit der anderen Klingenseite durchgeführt.
Wenn mit der Lupe erkennbar ist, dass die Schneidfase gerade aussieht - und nicht schief und krumm mit unterschiedlichen Winkeln - ist der erste Vorschliff erledigt. Nicht ganz, denn der Grat steht nun auf der anderen Seite ab.
Wer ein Hartholzbrett hat, kann das Messer ein paar mal ohne Druck durch das Holz ziehen um den Grat zu verringern oder zu entfernen. Dafür geht auch ein Schneidbrett aus Holz. Da kommt das Messer später sowieso drauf und dann ist der Grat ohnehin weg. Alternativ gehen z.B. ein Hartholzbrett, ein Korken oder ein fester Filz.
Etwas Geübtere können den Grat auch entfernen indem die Seite mit Grat leicht im Schärfwinkel über den Stein gezogen, nicht geschoben, wird.
Wer bis hierhin nicht wie ein Waldschrat mit viel zu viel Kraft gearbeitet hat, den wird jetzt schon ein sauber schneidendes Kochmesser erwarten, dass im Normalfall schon Unterarmhaare schneidet.
Der gleiche Arbeitsgang wird nun auf dem feineren Stein durchgeführt. Wieder beide Seiten bis zur Gratbildung durchschleifen und entgraten. Der Grat wird auf dem feinen Stein viel weniger grob ausfallen. Das Gefühl beim Ertasten muss etwas geübt werden. Sonst einfach den Fusseltest mit Watte machen.
Weil der Schärfvorgang immer sehr schwer in Bildern darstellbar ist, hier Videos zu unterschiedlichen Schärfweisen dazu.
Zunächst zeigt BastlWastl seine Technik. Im zweiten Video könnt Ihr suntravel ´s Technik sehen.
Teil 6: Nach getaner Arbeit
Nachdem das oder die Messer geschärft wurde(n), setzen sich die Schleifsteine mit Stein- und Metallabrieb zu. Zusätzlich schleifen sich die Schleifsteine irgendwann hohl. Das heißt, dass in der Mitte der Schleifsteine mehr Material abgetragen wird als am Rand - meistens jedenfalls.
Um dem entgegenzuwirken sollten die Schleifsteine regelmäßig gereinigt und notfalls wieder gerade abgerichtet werden.
Das geht am günstigsten mit normalem Nassschleifpapier. Wer etwas mehr Geld ausgeben möchte, kann auch Nassschleifpapier mit Siliziumkarbid benutzen.
Hier wird das Nasschleifpapier auf eine ebene und nasse Oberfläche gelegt (dicke Glas- oder Marmorplatte). Das Papier haftet durch die Nässe von ganz allein.
Dann wird der Stein in "Achterbahnen" über das Schleifpapier gerieben.
Eine weitere Methode ist das Abrichten mittels Diamantschleifplatten:
Links sind jeweils Diamantschleifplatten von DMT (coarse) und Atoma (600) zu sehen. So etwas kostet je Stück um die 80 Euro.
Die Kleinen sind Günstige um die 20 Euro für 3 Stück. Diese sind zum Abrichten etwas klein, können aber dazu dienen Naturschleifsteine anzureiben.
Zum Abrichten wird mit Bleistift ein Gittermuster auf den Stein gemalt:
Dann wird die Diamantplatte unter Wasserzufuhr auf dem Stein gerade hin und her geschoben:
Im Folgenden ist jetzt gut zu erkennen, dass der Stein hohlgeschliffen ist. Außen ist der Bleistift schon entfernt, während die Diamantplatte die Kuhle in der Mitte noch nicht erreicht hat.
Die Abrichtprozedur wird so lange wiederholt, bis kein Bleistift mehr zu sehen ist. Zwischdurch ist es sinnvoll neue Bleistiftstriche zur Kontrolle aufzutragen.
Fertig! Der Stein ist wieder einsatzbereit:
Steinaufbewahrung
Schleifsteine sind oft sehr empfindlich gegenüber zu viel Nässe oder zu schneller Trocknung.
Bitte legt sie nicht ewig in Wasserbehälter oder trocknet sie mit dem Fön.
Ich lege sie nach dem Schärfen in ein dickes Handtuch und lasse sie ein paar Stunden trocknen.
Danach sollten sie relativ luftig gelagert werden.
Ich habe den Gästezimmerschrank umfunktioniert.
Links und rechts in den Schrank Holzlatten geklebt und Streben aus Dreieicksleisten als Auflage eingebaut.
Ich hoffe, das dieses kleine Tutorial Anfängern eine Hilfestellung gibt, ihre Messer selbst zu schärfen.
Viel Spaß damit und vielen Dank an alle Beteiligten an diesem Tut.
LG
Andreas
Teil1: Grundsätzliches
Zunächst sollen ein paar Grundbegriffe zu Kochmessern und Schleif-/Schärfutensilien erläutert werden, da diese im Folgenden immer wieder genannt werden.
Bestandteile eines Messers:
Die drei wichtigsten Anschliffarten von Kochmesserklingen:
Schleifsteine
Schleifsteine sind aus künstlichen Materialien hergestellte oder der Natur entnommene Schleifwerkzeuge, deren Oberfläche unterschiedlich rau oder fein ist. Die Oberfläche muss unbedingt eben und von Fremdverschmutzungen befreit sein. Sie können unterschiedliche Formen von rund bis eckig oder unförmig gebrochen aufweisen. Dieses Tutorial beschreibt ausschließlich den Einsatz quaderförmiger Schleifsteine.
Kunstschleifsteine
Bei künstlichen Schleifsteinen handelt es sich in der Regel um vollständig synthetische Schleifsteine, die aus abrasiven Materialien - wie Aluminiumoxid (Korund), Siliziumcarbid und ähnlichem - bestehen und z.B. mit Kunstharzen gebunden werden. Eine weitere Gruppe der künstlichen Schleifsteine bilden die Keramiksteine. Diese bestehen aus keramischen Schleifpartikeln, die in der Regel nicht in Kunstharz gebunden, sondern hartgebrannt werden. Keramische Schleifsteine sind härter, abnutzungsbeständiger, aber auch teurer als in Kunstharz gebundene Steine. Die dritte wichtige Gruppe sind Diamantschleifsteine, oder -Platten. Diese werden in diesem Tutorial nicht als Schleifsteine beschrieben, sondern dienen uns nur als Hilfe zum Begradigen der Schleifsteine.
Bei den künstlichen Schleifsteinen gibt es noch Unterschiede bei der Wasseraufnahme. Viele Steine müssen vor der Benutzung erst einmal eine gewisse Zeit gewässert werden um sich vollzusaugen. Andernfalls zieht jedes aufgebrachte Wasser sofort in den Stein ein. Anders ist es bei sogenannten Splash & Go Steinen. Diese brauchen nur ganz kurz gewässert werden oder sogar überhaupt nicht.
Naturschleifsteine
Die unter Hobbyschleifern so begehrten Naturschleifsteine bilden keine einheitlich beschreibbare Gruppe. Die Vielzahl unterschiedlicher Materialien unterscheiden sich in Anwendung, Bestandteilen und Herkunft so stark, dass sie in einem eigenen Tutorial beschrieben werden sollten.
In diesem Tutorial werden sie nicht weiter beschrieben.
Öl- und Wasserschleifsteine
Um die Verwirrung auf ein noch höheres Niveau zu heben unterscheidet man bei allen Schleifsteinen auch noch zwei grundsätzliche Gruppen:
Wasserschleifsteine und Ölschleifsteine. Erstere werden zum Schleifen mit Wasser, Zweitere mit Öl als Schleifhilfe verwendet. Im Folgenden werden nur Wasserschleifsteine verwendet.
Körnungsangaben
Abgesehen von Naturschleifsteinen werden synthetische Schleifsteine entsprechend ihrer Verwendung mit Körnungsangaben versehen. Eine kleine Zahl bedeutet sehr grob, eine sehr hohe Zahl sehr fein. Meistens werden die Körnungen in „JIS“ angegeben. Dies bezieht sich auf die Körnungsnorm japanischer Schleifsteine. Die in diesem Tutorial genannten Körnungsangaben beziehen sich alle auf „JIS“.
Preise
Die Preise für die verschiedenen Schleifsteine variieren sehr stark. Generell kann meist die Faustformel „Kunstharz, Keramik, Natur“ als Grundsatz angenommen werden. Wobei die Preissteigerung in der Reihenfolge von wenigen zehn bis zu deutlich über 1.000 Euro betragen kann. Für Anfänger sind sehr gute „Kombischleifsteine“, also Schleifsteine mit zwei Seiten unterschiedlicher Körnung, am Markt zu sehr humanen Preisen von um die 50 bis 100 Euro zu bekommen. Diese reichen meist sogar den ganz versierten Hobbyschleifen und auch Köchen zur Scharfhaltung ihrer Messer. Außer für Liebhaber wie mich (Ich nenne keinen weiteren Namen wer sonst noch so alles Knäckebrot essen muss, weil alles in die Steine fließt), gilt die Devise: Einfach ist am sichersten und günstigsten - und am pragmatischsten.
Also bitte, liebe Anfänger, lasst Euch nicht von den vielen tollen Steinen blenden! Ein Kombistein mit 1000/4000 oder 1000/6000 ist für die Küchenmesserschärferei vollkommen ausreichend.
Meiner Meinung nach ist alles über 5000 JIS ohnehin nur besonderen Schnitttechniken oder den Fetischisten sowie Profis unter uns vorbehalten.
Ein letzter Hinweis: Ich habe noch keinen Schleifstein bekommen, der 100% Plan, bzw. gerade abgerichtet war. Augenscheinlich schon, man sieht eventuelle Unebenheiten aber nicht sofort mit dem bloßen Auge. Darum ist anzuraten, jeden neuen Schleifstein vor der ersten Benutzung zu begradigen. Dies sollte auch nach jedem, spätestens aber vor jedem Schleifvorgang durchgeführt werden. Zudem wird die Oberfläche des Schleifsteins wieder poröser und die Schärfleistung steigt. Dies bezeichnen die meisten als "den Stein öffnen".
Wie dies durchgeführt werden kann, wird am Ende des Tutorials beschrieben.
Beispiel Keramik Schleifsteine:
Kunstharzgebundener Synthetikstein mit zwei unterschiedlich groben Körnungen (Kombistein):
Naturschleifsteine:
Grundsatzfrage Schärfen, Schleifen, Polieren?
Das kann jeder halten wie er will. Allgemein werden meist folgende Definitionen verwendet:
Schärfen: Das Anbringen einer gleichmäßigen, schneidfähigen Schneide an eine Messerklinge, die das Schneiden erst ermöglicht.
Schleifen: Abtrag von überflüssigem Metall der gesamten Klinge oder Teilen davon sowie der Grundschliff einer Messerklinge zur grundsätzlichen Formgebung.
Polieren: Die Oberfläche der Schneidfase oder der Klingenflanke mit feinsten Körnungen von Schleifspuren befreien. Manchmal mit dem Wunsch Spiegelglanz zu erzeugen verbunden.
Teil 2: Warum Messer schärfen?
Ein Messer ist mit einer für bestimmte oder allgemeine Schneidaufgaben bestimmten Schliffgebung versehen.
Europäische Messer sind oftmals leicht ballig geschliffen.
Das bedeutet, dass die Primärfase, oder nur die Schneidfase (Sekundärfase) leicht rund ausgeschliffen sind.
Dies erhöht die Schnitthaltigkeit (Zeit bis die Klinge stumpf erscheint), bietet aber meist nur eine durchschnittliche Schärfe.
Japanische Messer sind oft flach geschliffen.
Das bedeutet, die Primärfase und Schneidfase sind in einem geraden Winkel geschliffen.
Die Schneide kann so sehr fein und scharf ausgeschliffen werden.
Dies ermöglicht eine enorme Schärfe bei sehr harten und feinen Klingenstählen, ist aber für die typische und durchschnittliche „Hobbyhandhabung“ meist nicht geeignet, da die Schneide bei japanischen Messern mit einem sehr kleinen Winkel versehen wird. Dazu später.
Diese Aussagen sind wirklich sehr allgemein gehalten und nur zur Anschauung exemplarisch dargestellt.
Nach einer gewissen Nutzungszeit wird die Schneide durch die dauernde Beanspruchung an ihrer Spitze kleine Ausbrüche erleiden, flach werden oder sich verbiegen. Dann ist es gefühlt stumpf. Eigentlich auch faktisch, aber manche Hobbyköche würden auch noch mit dem Klingenrücken Tomaten und Zwiebel klein bekommen. Warum schreibe ich das? Jeder muss für sich Schärfe selber definieren!
Bei mir muss ein noch halbwegs scharfes Messer durch eine reife Tomate ohne die Haut einzudrücken oder eine Zwiebel waagerecht in drei vier Schnitten ohne auseinanderzufallen schneiden. Paprika soll es auch mit der Hautseite nach oben ohne Druck schneiden.
Egal wann wer ein Messer als stumpf empfindet: wer einmal ein richtig gut geschärftes Messers benutzt hat, wird dieses Schneidgefühl immer wieder spüren wollen. Hoffentlich...
Teil 3: Ein kleiner Hinweis zum Messerstahl
Europäische Kochmesser sind vom Prinzip her erstens auf europäische Schnitttechniken, wie z.B. den Wiegeschnitt, und zweitens mehr auf Schnitthaltigkeit und Robustheit ausgelegt. Außerdem muss es bei uns Europäern meist schnell gehen. Wir schneiden eher "bämmbämmbämm Junge", wie krassi sagen würde, nicht wie die Japaner, die schon mal gar kein Fleisch im Ganzen mit Knochen in der Küche verarbeiten. Japanische Schnitttechniken sind eher Zug- oder Schubschnitt. Es wird kaum Druck ausgeübt und die Schneide berührt nur minimal die Schneidunterlage.
Darum sind bei europäischen Messern eher zähere und hoch legierte, aber nicht so harte Stähle marktvorherrschend. Die Härte von Stählen wird i.d.R. in Härte nach Rockwell angegeben. (HRC: Hardness Rockwell, das C beschreibt nur die Prüfmethode) Rostfreie Messer bestehen häufig aus „Solinger Standardstahl“. Oft findet man die Bezeichnung X50CrMoV15, was auf die Legierung hinweist. X steht für rostfrei, 50 für 0,50 % Kohlenstoff und 15 für 15 % Chrom. Zusätzlich sind hier in der Menge nicht angegebene Mengen an Molybdän und Vanadium enthalten. Dieser Stahl wird meist mit einer Härte von unter 60 HRC gehärtet. Die Regel sind wohl 50 bis 56 HRC.
Eine Ausnahme bilden Messer aus Carbonstahl. Diese sind niedriglegiert und meist hoch gehärtet und somit spröder. Sie brechen leichter aus, sind aber feiner im Stahlgefüge und lassen sich deswegen meist viel schärfer schleifen. Hier sind Rockwellhärten von 62-64 HRC keine Seltenheit.
Japanische Messer werden natürlich auch rostfrei angeboten. Oft sind hier aber auch Carbonstähle im Einsatz. Insbesondere bei den sogenannten Sanmai-Klingen. Diese bestehen aus einer meist sehr hoch gehärteten Schneidlage in der Mitte und unterschiedlichen weicheren / zäheren Außenlagen. Dann sind oft Stahlbezeichnungen wie Aogami oder Shirogami zu lesen.
Um hier nicht zu viel Verwirrung zu stiften wird ab hier kein Legierungschinesisch mehr erwähnt.
Klingenformen und Schneidaufgaben
Da es so viele verschiedene Klingenformen und Schneidaufgaben gibt, die spezielle Aufgaben wie
- Fleisch filetieren
- Fisch filetieren
- Fleisch ausbeinen
- Tranchieren
- Parieren
- Gemüse schneiden
- Schälen
- und, und, und…
erledigen sollen, beschränkt sich die Anleitung auf das Allroundmesser in der Küche: Das europäische Koch- oder Chefmesser.
In welchem Winkel soll das Messer geschliffen werden?
Das Tutorial soll das schärfen von Küchenmessern für Anfänger erleichtern. Deshalb wird hier nicht auf eine ballige Schliffgebung oder spezielle Schleiftechniken eingegangen. Das Tutorial will nur die grundlegen Techniken oder Handhabungen verdeutlichen. Dies ist anhand des Flachschliffs am einfachsten nachzuvollziehen.
Soll nun die Klinge geschärft werden, muss man sich darüber im Klaren sein, welcher Schneidaufgabe das Messer zugeführt werden soll.
Diese bestimmt nämlich, neben der Klingengeometrie, welcher Schneidenwinkel am sinnvollsten ist. Grundsätzlich kann zwischen zwei unterschiedlichen Anschliffen unterschieden werden: dem Europäischen und dem Japanischen. Es gibt sicher noch mehr, aber im normalen Küchengebrauch sind diese eher selten.
Europäische Kochmesser werden ab Werk meist mit einem Schneidenwinkel um die 40° ausgliefert, japanische eher mit viel kleineren Winkeln. Oft wird ein Schneidenwinkel von 30° empfohlen.
Allen Anfängern sei jedoch empfohlen, zunächst den Schneidenwinkel des Herstellers beizubehalten um anfangs nicht mit irgendwelchen Winkel rumzuexperimentieren.
Teil 4: Zubehör
Empfehlenswerte Utensilien
Zunächst ist das Wichtigste sich passende Schleifsteine zu besorgen.
Schleifsteine werden in unterschiedlichen Körnungen angeboten. Die unterschiedlichen Körnungen werden für unterschiedliche Schleifaufgaben verwendet.
Allgemein sind kleine Körnungsangaben sehr grob und für grundlegende Formgebungen gedacht, sehr hohe Körnungsangaben polieren nur noch die Oberfläche und verändern die Schneidengeometrie nicht mehr maßgeblich.
Beispiele:
Körnung Aufgabe
220 Grobe scharten ausbessern, Klinge begradigen, Winkel anlegen
400 Grobe scharten ausbessern, Klinge begradigen, Winkel anlegen
1000 Mittelschliff und Winkelausbesserung
2000 Feinschliff, Schneidenpolitur, Vorfinish
4000 Feinschliff, Schneidenpolitur, Finish
6000 Feinschliff, Schneidenpolitur, Finish
Wenn eine Messerklinge noch keine großen Ausbrüche hat, sondern nach normalem Gebrauch einfach keine scharfe Schneide mehr hat, sind für den Hausgebrauch die Körnungen 1000 und 4000 bis 6000 vollkommen ausreichend um wieder eine sehr gute Küchenschärfe herzustellen. Das wird sogar "sehr" scharf.
Normale Abnutzung, keine Ausbrüche mit dem Auge zu erkennen:
Klingenausbrüche:
Falls Ausbrüche zu erkennen sind, oder beim Schneiden alles etwas hakelig wirkt, dann kann man einen groben Stein (400) einsetzen um diese zu beseitigen. Dieser ist aber nicht zwingend notwendig, auch ein 1000´er Stein schafft das. Es dauert nur etwas länger.
Besonders empfehlenswert für Einsteiger sind Kombinationssteine mit zwei Körnungen, wie etwa 800/5000, 1000/4000 oder 1000/6000. Diese sprengen anfangs nicht die Hobbykasse und sind nach vielen Aussagen im Kochmalscharf-Forum teils von hervorragender Qualität.
Weitere Hilfsmittel
Schleifsteine sollten auf einer geraden rutschfesten Auflage liegen.
Das kann im Behelfsfall ein feuchtes dünnes Küchenhandtuch sein.
Moosgummiunterlagen eignen sich auch sowie diese dünnen schwarzen Antirutschmatten, die unter Teppichläufer gelegt werden.
Einen sicheren Stand erhalten Schleifsteine in jedem Fall mit speziellen Schleifsteinhaltern.
Diese lassen sich auf die Steingröße einstellen und erhöhen zudem die Schleifauflage, was die Arbeit erleichtert.
Schleifsteinhalter:
Am Anfang reicht auch ein nasses Handtuch oder eine Antirutschmatte als Unterlage:
Da beim Schleifen Wasser als Hilfsstoff verwendet wird, sind einige Handtücher oder ähnliches sinnvoll, wenn man nicht über dem Waschbecken schärft.
Für das Waschbecken gibt es spezielle Schleifbrücken:
Wenn mit Splash & Go Steinen gearbeitet wird, dann ist eine Spritzflasche oder eine Pumpsprühflasche sehr hilfreich um die Wassermenge auf ein Minimum zu reduzieren:
Eventuell eine kleine Wasserwanne:
Zur Begutachtung des Schärfergebnisses ist die Verwendung einer Lupe sehr empfehlenswert. Wer es auf die Spitze treiben möchte, benutzt ein USB-Mikroskop.
Zum Entgraten sind ein Korken und ein Stück Hartholz nützlich:
Zum Kontrollieren, ob man auf der Schneide schleift, lohnt sich in jedem Fall ein dicker Edding.
Da sich die Schleifsteine durch das Schleifen abnutzen, empfehle ich für den Anfang die Anschaffung von Nassschleifpapier. Dieses nass auf eine glatte und ebene Oberfläche gelegt, dient dann dazu die Steinoberfläche wieder zu begradigen, dazu weiter unten mehr.
Teil 5: Das Schärfen
Nun kann es endlich losgehen.
Ein nachzuschärfendes Messer liegt bereit. Ein Kombischleifstein oder zwei Steine unterschiedlicher Körnung, Schleifsteinhalter oder –unterlage auch.
Zunächst müssen die Schleifsteine, sofern sie nicht „Splash & Go“ sind gewässert werden.
Ob und wie lange steht in den Anleitungen zu den Steinen oder ist im Internet zu recherchieren.
Das weiter oben genannte Kochmesser hat einen Werksanschliff, dessen Winkel wir nicht kennen. Entweder wir versuchen den Originalwinkel herauszufinden oder wir legen gleich einen neuen Winkel nach unserem Gusto an.
Winkel einstellen oder herausfinden
Der Schleifwinkel beträgt bei symmetrisch geschliffenen Messern, wie z.B. bei den meisten europäischen Messern, die Hälfte des Schneidenwinkels.
In dem vorliegenden Beispiel eines europäischen Kochmessers mit einem angenommenen Schneidenwinklel von etwa 40° beträgt der Schleifwinkel also 20°.
Dieser wird von der Steinoberfläche bis zur Mitte des Klingenrückens gemessen.
Wer den Winkel über die Höhe des Klingenrückens und die Schenkellänge der Klinge nicht berechnen möchte, legt entweder einfach die Klinge im 45° Winkel auf den Stein und verringert den Winkel dann um über die Hälfte oder liest sich aus nachfolgender Tabelle anhand des geplanten Schleifwinkels und der Klingenhöhe den Abstand von Stein zu Klingenrücken ab.
Wer nicht in der Tabelle lesen möchte um den Abstand zu ermitteln, der darf auch rechnen. Insbesondere bei anderen Maßen und Winkeln als in der Tabelle vorhanden.
Dazu hat andreas123 , ein Exceltool geschrieben, mit dem Ihr durch Eingabe des gewünschten Winkels und der Klingenhöhe den Abstand der Klingenmitte zum Schleifstein sofort angezeigt bekommt:
Das Exceltool gibt es hier zum Download Abstand Klingenmitte zum Schleifstein.xlsx (20.05 KB)
So kann man sich das Ganze mit einem Lineal ermessen oder stellt sich für die Zukunft einen kleinen Abstandhalter aus Holz her. Die Striche auf dem Foto zeigen an, in welche Richtung der Winkel gemessen werden sollte.
Den Originalwinkel kann man u.a. mit der Eddingmethode herausfinden.
Dabei wird die Schneidfase komplett mit dem Edding bepinselt und auf dem feinsten vorhandenen Stein vorsichtig mit ein paar Rückwärtszügen getestet wann mit einem Zug die gesamte Schneidfase vom Edding befreit ist.
Kontrolle mit Lupe:
Auf dem Foto rechts ist der Winkel getroffen.
Diese Messerhaltung muss man sich merken für den gesamten folgenden Schärfvorgang. Das wird der sogenannte Schleifwinkel.
Die Eddingmethode ist auch ideal um zu kontrollieren, ob man immer im selben Winkel auf dem Schleifstein schleift.
Ist der Winkel in dem die Messerklinge zum Schleifstein gehalten werden muss erst einmal festgestellt, dann kann es losgehen.
Es gibt hunderte Varianten wie das Messer auf dem Stein geführt werden kann.
Es empfiehlt sich das Messer etwas schräg zum Stein zu halten, da die Auflagefläche so etwas größer ist als im 90° Winkel. Dabei sollte man beachten, dass die Klingenspitze oft wesentlich schmaler ist als der Klingenanfang. Das heißt, dass an der Spitze der Winkel mit dem das Messer eigentlich gehalten werden soll, etwas erhöht werden sollte.
Anfängern wird es wahrscheinlich einfacher fallen, das Messer vom Körper weg zu schieben und für die andere Seite der Klinge die Haltehand zu wechseln. Viele schärfen aber auch so, dass der Griff immer in einer Hand bleibt und beim Umdrehen der Klinge dann zum Körper hin geschoben wird. Das erfordert aber schon einige Übung, dabei dann den Winkel zu halten. Ich schärfe zwar immer von der Spitze zum Klingenanfang, aber einfacher ist es, wegen des zu haltenden Winkels, vom Klingenanfang zur Klingenspitze hin zu schärfen. Dabei hält die Griffhand weit über den Klingenanfang hinaus auch die Klinge fest, während mein Daumen anfangs zwischen Stein und Klingenrücken den gewünschten Winkel fixiert. Die Finger der anderen Hand liegen auf dem Klingenrücken an der Klingenspitze, so dass die Fingerkuppen den Stein berühren. Das verhindert Gewackel und stellt sicher, dass die Spitze auf dem Stein aufliegt.
Dabei wird die Klinge mit etwas mehr oder weniger Druck schräg nach vorne geschoben und ohne Druck wieder zurück gezogen.
Nach einer Weile bildet sich an der Schneide ein Grat. Dies ist das Zeichen, dass die Schneidfase durchgeschliffen ist.
Der Grat steht etwas nach oben und ist gut mit den Fingern erfühlbar.
Wer sich das nicht zutraut, kann auch ein Wattepad nehmen und auf der vom Stein wegzeigenden Seite vom Klingenrücken nach unten zur Schneide über die Klinge fahren. Dadurch verhaken sich die Wattefäden und bleiben an dem Grat hängen. Ist der Grat über die gesamte Klingenlänge spürbar, kann die Klinge umgedreht werden.
Nun wird das Gleiche wie vorher mit der anderen Klingenseite durchgeführt.
Wenn mit der Lupe erkennbar ist, dass die Schneidfase gerade aussieht - und nicht schief und krumm mit unterschiedlichen Winkeln - ist der erste Vorschliff erledigt. Nicht ganz, denn der Grat steht nun auf der anderen Seite ab.
Wer ein Hartholzbrett hat, kann das Messer ein paar mal ohne Druck durch das Holz ziehen um den Grat zu verringern oder zu entfernen. Dafür geht auch ein Schneidbrett aus Holz. Da kommt das Messer später sowieso drauf und dann ist der Grat ohnehin weg. Alternativ gehen z.B. ein Hartholzbrett, ein Korken oder ein fester Filz.
Etwas Geübtere können den Grat auch entfernen indem die Seite mit Grat leicht im Schärfwinkel über den Stein gezogen, nicht geschoben, wird.
Wer bis hierhin nicht wie ein Waldschrat mit viel zu viel Kraft gearbeitet hat, den wird jetzt schon ein sauber schneidendes Kochmesser erwarten, dass im Normalfall schon Unterarmhaare schneidet.
Der gleiche Arbeitsgang wird nun auf dem feineren Stein durchgeführt. Wieder beide Seiten bis zur Gratbildung durchschleifen und entgraten. Der Grat wird auf dem feinen Stein viel weniger grob ausfallen. Das Gefühl beim Ertasten muss etwas geübt werden. Sonst einfach den Fusseltest mit Watte machen.
Weil der Schärfvorgang immer sehr schwer in Bildern darstellbar ist, hier Videos zu unterschiedlichen Schärfweisen dazu.
Zunächst zeigt BastlWastl seine Technik. Im zweiten Video könnt Ihr suntravel ´s Technik sehen.
Teil 6: Nach getaner Arbeit
Nachdem das oder die Messer geschärft wurde(n), setzen sich die Schleifsteine mit Stein- und Metallabrieb zu. Zusätzlich schleifen sich die Schleifsteine irgendwann hohl. Das heißt, dass in der Mitte der Schleifsteine mehr Material abgetragen wird als am Rand - meistens jedenfalls.
Um dem entgegenzuwirken sollten die Schleifsteine regelmäßig gereinigt und notfalls wieder gerade abgerichtet werden.
Das geht am günstigsten mit normalem Nassschleifpapier. Wer etwas mehr Geld ausgeben möchte, kann auch Nassschleifpapier mit Siliziumkarbid benutzen.
Hier wird das Nasschleifpapier auf eine ebene und nasse Oberfläche gelegt (dicke Glas- oder Marmorplatte). Das Papier haftet durch die Nässe von ganz allein.
Dann wird der Stein in "Achterbahnen" über das Schleifpapier gerieben.
Eine weitere Methode ist das Abrichten mittels Diamantschleifplatten:
Links sind jeweils Diamantschleifplatten von DMT (coarse) und Atoma (600) zu sehen. So etwas kostet je Stück um die 80 Euro.
Die Kleinen sind Günstige um die 20 Euro für 3 Stück. Diese sind zum Abrichten etwas klein, können aber dazu dienen Naturschleifsteine anzureiben.
Zum Abrichten wird mit Bleistift ein Gittermuster auf den Stein gemalt:
Im Folgenden ist jetzt gut zu erkennen, dass der Stein hohlgeschliffen ist. Außen ist der Bleistift schon entfernt, während die Diamantplatte die Kuhle in der Mitte noch nicht erreicht hat.
Die Abrichtprozedur wird so lange wiederholt, bis kein Bleistift mehr zu sehen ist. Zwischdurch ist es sinnvoll neue Bleistiftstriche zur Kontrolle aufzutragen.
Fertig! Der Stein ist wieder einsatzbereit:
Steinaufbewahrung
Schleifsteine sind oft sehr empfindlich gegenüber zu viel Nässe oder zu schneller Trocknung.
Bitte legt sie nicht ewig in Wasserbehälter oder trocknet sie mit dem Fön.
Ich lege sie nach dem Schärfen in ein dickes Handtuch und lasse sie ein paar Stunden trocknen.
Danach sollten sie relativ luftig gelagert werden.
Ich habe den Gästezimmerschrank umfunktioniert.
Links und rechts in den Schrank Holzlatten geklebt und Streben aus Dreieicksleisten als Auflage eingebaut.
Ich hoffe, das dieses kleine Tutorial Anfängern eine Hilfestellung gibt, ihre Messer selbst zu schärfen.
Viel Spaß damit und vielen Dank an alle Beteiligten an diesem Tut.
LG
Andreas