Post by andreas123 on Aug 10, 2018 14:42:18 GMT
Moin,
wir hatten es ja schon einmal angekündigt und nun geht es los!
Wir testen im Rahmen eines Passarounds (PA) ein Kochmesser vom Hersteller Lolex. "Black Forest finest cut"
Ich muss schreiben, dass ich schon etwas skeptisch war aufgrund der doch superlativen Werbeaussagen, wie z.B. "Das fortschrittlichste Messer aller Zeiten" und "Souveräner Auftritt. G(l)anz ohne Übertreibung., Die Veredelung des Alltäglichen."
Zumindest wird ja eingeschränkt auf Hobbieisten: "LOLEX ist ein luxuriös ausgestattetes Hobby-Messer für jedermann." Aber dann wird auch wieder mit: "Das First Class Messer unter den Messern. Das beste Messer, das du bekommen kannst." geworben. Diese Aussagen werden hier sicher für zumindest kontroverse Diskusionen sorgen... Vorsichtig ausgedrückt.
Diesen Aussagen muss sich das Messer nun hier mit erfahrenen Hobbyköchen, Profis und Freaks stellen. Der Fokus liegt aber auf uns (mir jedenfalls) Hobbyköchen.
Hier im Kochmalscharf-Forum werden solche Aussagen extrem genau unter die Lupe genommen, weil hier natürlich auch "Normaluser" ohne besondere Ansprüche oder Interesse an Messerstählen, Geometrie oder Klingenprofilen unterwegs sind.
Darum wollen wir aufklären, Licht ins Dunkel der Kochmesser bringen und anhand von Erfahrungsberichten die Vorzüge, aber auch die verbesserungswürdigen Seiten eines Messers beschreiben.
Der Versuch möglichst objektiv zu urteilen, fällt ob der vielen unterschiedlichen Vorlieben und Erfahrungen der Tester immer unterschiedlich aus. So bleibt vieles einfach subjektiv beurteilt.
Und das ist auch gut so!
Ich wünsche mir auch in den jeweils separaten Diskussionsthreads eine faire und sachliche Diskussion, die immer eher konstruktiv, als einfache "Zerreißung" ohne Eigenerfahrung sein sollte.
Das hat jeder PA-Geber mindestens verdient. Oder nicht?
Ein Lob über alle Maßen ist auch nicht erwünscht, obwohl ich selbst dazu neige...
Also wünsche ich uns allen eine gerade und sachliche Beurteilung.
BTW: In diesem Thread wird nicht diskutiert sondern nur berichtet. Ein Diskussionsthread zum PA ist eingerichtet.
Vielen Dank an den PA-Geber Gerhard Hinger, dass wir dieses Messer testen und zudem unsere Meinung dazu kundtun dürfen!
Und zudem hat er unseren Respekt verdient, weil er sich mit seinem imho ersten Projekt dieser sehr kritischen Selbsthilfegruppe stellt.
Vielen Dank dafür lieber Gerhard!
Und natürlich geht auch ein ganz großer Dank an Nakiriman , der diesen PA initiiert und angeschoben hat.
Die PA-Teilnehmer sind: BastlWastl, Gabriel, Julius, severus und ich.
Unboxing:
So kam es an, das LOLEX-Messer:
Die Umverpackung war gewaltig.
Eine im Grunde sehr hochwertige Holzkiste mit eingebranntem- oder gepresstem Markenlogo.
Entschuldigt die Flecken oben links, ich hatte vergessen das Objetiv zu reinigen, aber auf der Kiste waren ja auch ein paar Flecken...
Man kann den im oberen Teil der Kiste befindlichen Kasten herausnehmen und als separaten Messerständer verwenden.
Das empfinde ich als eine tolle Idee.
Die Einschnitte in den Kork würde ich mir etwas präziser wünschen. Besser noch irendwie eingepresst.
Alles in allem suggeriert die Verpackung schon ein Erlebnis, dass ich so bislang nicht kannte.
Die größte Messerkiste ever war es auf jeden Fall . Und ich finde sie, bis auf die Ausführung des Innenlebens als recht schön.
Die Einschnitte im Kork dürfen echt etwas präziser und wertiger ausgeführt weren.
In solchen Überseekästen kommen übrigens und normalerweise wohl 150 Messer oder 50 Naturschleifsteine an...
Hier war das nur das Lolex drin.
Das Messer:
Welche Bezeichnung soll ich für dieses Messer verwenden?
Bunka, Nakiri, Kleincleaver? Oder Bunkirver?
Ich weiß es nicht, da ich ein solches Konzept noch nie in der Hand hatte.
Der Stahl soll ein "Vanax" von Uddeholm sein, der auf wohl 58 HRC gehärtet wurde. Also ein pulvermetallurgisch hergestellter Stahl mit sehr hohem Chromanteil. Ein imho austenitischer Edelstahl wie AISI 316L.
Aber von Stählen habe ich keine Ahnung. Da können andere hier im Forum sicher kompetent etwas zu schreiben.
Nun gut... Zumindest soll es PM-Stahl sein. Auf der HP des Machers findet sich dieses Superlativ: "Dieses perfekte und homogene Gefüge finden Sie bei keinem Messer weltweit, dass ein Messerschmied manuell gehärtet hat."... Solche Aussagen kommen hier in der Regel nicht gut an, da wir Fakten und keine Lobgesänge mögen.
Hier ziehe ich mein Fazit vor und empfehle, dass der Schuster bei seinen Leisten bleiben sollte und lieber Fakten, als Werbeversprechen reden lassen sollte.Das Profil:
Zunächst habe ich ein paar Maße abgenommen.
Normalerweise sind die Messpunkte viel dichter, aber da das Messer relativ gleichmäßig in seinem Schliff ist, genügen mir hier ein paar wenige.
Vom Erl bis zur Rückenspitze ist die Klinge ziemlich gleich dick.
Das gleiche gilt für den Übergang vom Spiegel zur Primäfase.
Der Rücken ist gar nicht so Fett, wie ich angenommen hatte und verdünnt sich minimal zur Spitze hin von 3,7 auf 3,65 mm. Meine Schieblehre, ja es heißt anders..., hat sicher so große Toleranzen, dass ich die Werte nicht als "gestetzt" angeben kann. Was ich aber deutlich wahrnehmen konnte, ist dass die Spitze an der Wate erhebich dicker ist, als an der Ago.
Das darf imho bitte genau umgekehrt sein. Wenn das gewollt ist, bitte ich um eine Erklärung, wieso das so ist.
Ansonsten wäre das mein erster Verbesserungsvorschlag. Die Schneidenspitze und die Ago sind leicht angehoben geschliffen. Aus meiner Sicht kann beides gerade verlaufen. An der Ago gehen dann z.B. Zwiebelschalen besser angeritzt und die Spitze schneidet besser bei dünnem Schnittgut, wie Kräutern.
Die Kanten sind nicht verrundet, sondern angefast. Dies passt imho auch zum Konzept und ist nicht unangenehm.
Gewicht:
Reichlich. Oder? 300g sind schon wirklich eine Hausnummer.
Messerbilder:
Auf diesem Bild ist deutlich ein Fehlschliff vom Band zu erkennen, der bei dem Preis nicht vorkommen sollte.
Ich wünsche mir mehr sorgfalt. Bilder weiter unten zeigen das noch genauer.
Alles hat Kanten, Ecken und ist auch so an den Klinegnkanten umgesetzt:
Mir gefällt die irisierende Optik des Klingenspiegels ganz gut.
Insgesamt , nach Rückfrage bei suntravel , ein Schliff auf der Flachschleifmaschine.
Die Schneidenspitze ist imho aufgrund einer Unachtsamkeit am Band oder der Flachschleifeinrichtung etwas verrundet. Das geht geht Ruckzuck... Ist mir aber bei bestimmten Schneidaufgaben nicht angenehm.
Schließlich habe ich mir ja, wie viele andere auch, eine eigene Schneidtechnik angewöhnt.
An der Ago sind deutliche Schleifspuren auf etwa drei cm zu erkennen.
Bei dem Messerpreis muss man da sorgfältiger arbeiten. Imho jedenfalls.
Der Griff:
OK... Es gibt sicher schönere Messergriffe und ich hätte mir bei einem PA auch einen wesentlich schöneren Griff gewünscht. Mindestens eigentlich ein stabilisiertes Holz, oder so, wie auf der HP gezeigt.
Aber das ist ja Geschmackssache.
Nun ist da bei einem im Gesamtkonzept imho "kristallin" gestaltetes Messer auch die Griffform sicher optisch passend. Aber weder das Material noch die Farbe sagt mir irgendwie zu.
Da sind die Bilder auf der Hompage erheblich ansprechender. (Holz)
Dieses rote, dumpfe gefällt mir zumindest gar nicht. Für einen PA hätte ich als Hersteller etwas geileres genommen.
Der Griff ist griffig und fällt mir zumindest nicht negativ auf. Die Form hat aber auch keine Markanten Eigenschaften.
Auf jeden Fall passt der Griff voll in das eckige Gesamtkonzept.
Bilder:
Hier sind Kleberreste zu sehen, die vielleicht einen Spalt nach dem Kleben der Schalen auffüllen sollen, oder es sind halt Reste und ein Spalt.
Links nicht...
Geometrie:
Vom Rücken bis zur Primärfase sind die Klingenspiegel recht parallel und bis etwa zur Mitte der Klingenhöhe ausgeführt und etwa 3,7mm dick.
Die Wate, ich kann das nicht genau messen mit meinem Gerät, ist am Kehl 0,25mm und an der Schneidenspitze 0,5mm dick.
Das kenne ich so überhaupt nicht.
Umgekehrt wäre es imho besser.
Erstens wäre die Spitze dann schneidfreudiger und zweitens am Kehl die Schneide etwas stabiler.
Schneidfreudigkeit und Schärfe, Schnippeleizeigerei:
Die Schneide ist mit Band abgezogen. Kein Handabzug auf Steinen.
Das muss nicht schlimm sein, wie man ja bei vom Jürgen Schanz ausgedünnten Messern merkt.
Und nochmal: Schärfe ist der Abzug der Schneide, Schneidfreudigkeit macht die Klingengeometrie.
Die meist einhellige Meinung hier im Forum ist, dass eine möglichst fein ausgeschliffene Schneidenfase länger scharf bleibt, da sie sich erstens weniger umlegt und nach Benutzung weniger Mikrorisse zeigt.
Und so ist es auch hier für mich bewiesen.
Schärfe lässt sehr schnell wieder herstellen, Schneidfreude kann man nur mit erheblichem Aufwand verändern. Nämlich durch das Ändern der Geometrie.
So sah die Schneide kurz nach Ankunft aus:
Recht grober Bandabzug oder Wetzstahl. Letzteres scheint mir fast wahrscheinlicher.
Schnippelei:
Der erste Test sollte die Schärfe Ootb zeigen:
Der zweite die Schneidfreudigkeit:
Nach dem harten Schnittgut war die Schärfe eigentlich weg. Zweiter Tag:
Dritter Tag:
In hartem Schnittgut braucht es doch etwas mehr Kraft, als mit meinen anderen Messern, weil das Profil zu dick ist. Die Schärfe ist meiner Meinung nach weg, da nicht fein genug ausgeschliffen wurde.
Letzteres ist kein Problem, aber bei einem explizit für Hobby-Köche hergestelltem Messer vielleicht doch. Wer hat schon so ein Schleif- und Schärfarsenal wie ich?
Hier ist es echt stecken geblieben. Nichts ging mehr...
Gepellt ging es aber wieder.
Choppen, und ja ich kann es nicht, ist mit mehr Kraftaufwand verbunden, als bei meinen anderen Messern.
Der Framerelease ist naja, so mittel. Meine Messer sind da auch nicht erheblich besser...
Im Zugschnitt zeigt sich der in meinen Augen Fehler an der Schneidenspitze: Ich produziere am laufenden Band Zieharmonikas...
Um das zu ändern müsste man es gerade Schleifen oder ich meine Schneidtechnik nur für dieses Messer überarbeiten.
Mich wundern aber die Zieharmonikas beim Basilikum noch mehr. Das war Druck-Schubschnitt mit einer Chiffonade.
Fazit:
Ein außergewöhnliches Messer, dass in puncto Geometrie noch lernen kann.
Mir gefällt das Gesamtkonzept, beziehungsweise die "kristalline" Optik wirklich gut. Außerdem ist das Messer imho echt einzigartig. Ich würde es dünner hergestellt und preisgünstiger wohl kaufen. Mit ordentlichem Griffmaterial natürlich.
Für den Preis bekomme ich aber schon fast ein Xerxes, das keine Kritik scheuen muss. Im Gegenteil!
Die Schneide darf definitiv besser ausgeschliffen werden. Insbesondere mit Blick auf die "Hobby-Nutzer".
Der Spiegel "muss" höher gezogen werden und darf imho nicht statisch sein, sondern sollte mindestens 2-2,5° je Seite angeschliffen sein. Also insgesamt etwa bis 4-5° betragen. Dann wird auch die Primärfase samt Schneide geil.
Die Schneidenfase ist jetzt schon klein genug, aber nicht optimal geschärft.
Das sollte der Macher überdenken.
Insgesamt kann das Messer sicher was werden, wenn es dünner und bedachter geschliffen wird.
Jetzt ist es ein außergewöhnliches, aber kein überragendes Messer.
Vielen Dank für das Testen dürfen.
LG
Andreas