Post by Gabriel on Dec 29, 2016 22:58:32 GMT
Moin,
noch ein Review aus meinem Archiv (4.2015):
Aoki Aogami Super (AS) Wa-Santoku 19,5cm
Prolog
Disclaimer - das folgende Review ist relativ lang und enthält viel Text und viele Bilder und könnte bei nicht Küchenmesser-Verrückten zu Langeweile oder Desinteresse führen...!!!
Ein Nachteil daran Erfahrung mit zunehmend vielen hochklassigen Messern machen zu dürfen besteht meiner Meinung klar darin, dass man abstumpft... Es gehört einfach immer noch mehr dazu ein Lächeln oder gar ein begeistertes Grinsen auf das Gesicht zu zaubern. Waren da früher schon nahezu alle frisch und gut geschärften Karbonstahlmesser in der Lage, muss es inzwischen eben etwas besonderes sein. Viele Messer schaffen das nicht mehr…
Und um es gleich vorweg zu sagen, das Aoki hat es geschafft… und zwar ganz gewaltig…
Meine Erfahrungen mit den Messern der Marke Aoki waren bislang stets positiv. Vor einiger Zeit hatte ich ja schon dank eines freundlichen Mitgliedes hier Gelegenheit ein spiegelpoliertes Santoku von Aoki in Shirogami 1 zu testen. Dass ich von dem Messer sehr angetan war, kann man in meinem Review (Link) nachlesen. Vor ein paar Monaten habe ich mir dann mein erstes eigenes Aoki zugelegt, ein Tokujho Warikomi Kurouchi Nakiri (Review hier).
Als ein Arbeitskollege und ambitionierter Hobbykoch ein neues Santoku gesucht hat und dabei auch auf Aoki gestoßen war, war ich direkt sehr gespannt, welches es werden wird. Es wurde dieses Santoku hier in Aogami Super, dass er mir freundlicherweise für eine verlängerte Testwoche zur Verfügung gestellt hat.
Daten
Klingenlänge: 19,5cm (gemessen 198 mm)
Klingenhöhe: 45,5mm
Klingenstahl: Schneidlage Aogami Super mit ca. 65 HRC
Beidseitiger Anschliff
Griff: oktagonal aus Ebenholz mit Wasserbüffelhornzwinge
Gewicht: 182g (laut Händler)
„Hergestellt von "Dento-Kogei-shi"-Preisträgern: handgeschmiedet von Schmiedemeister Togashi, handgeschliffen von Schleifmeister Tosa.“
Verarbeitung & Finish
Das Messer kam bei mir nach ein paar Wochen Benutzung und schon den ersten Gebrauchsspuren – aber dazu später mehr – an. Die Verarbeitung ist wie man es von Aoki kennt und es bei dem aufgerufenen Preis von über 400€ auch erwarten kann nahezu perfekt. Im Gegensatz zum hier vorgestellten Spiegel-Santoku (Link sh. Prolog), kam die Klinge des AS nicht spiegelpoliert, sondern sehr fein satiniert und schon mit deutlicher Patina. Ansonsten gibt’s sich das Messer in Punkto Verarbeitung eigentlich keine Blöße. Das Kasumi-Finish der Klinge steht ihm sehr gut, der oktagonale Ebenholz-Griff ist astrein verarbeitet, die Einpassung der Hornzwinge nahezu ohne spürbaren Übergang.
Auch Kehl und Klingenrücken sind schön geschliffen (ok, der Kehl könnte noch etwas schöner sein...) wie es in der Preiskategorie wohl auch sein sollte. Die Klinge sitzt kerzengerade im Griff (auch nicht selbstverständlich).
Die Zwinge ist schwarz bis dunkelbraun und hat – zumindest auf der einen Seite – eine schöne streifenförmige Maserung. Natürlich ist es Geschmackssache, ich hätte mir hier eher eine Cremefarbene Zwinge mit brauner Maserung gewünscht aber schön ist diese hier auch.
Makel? Hm… ich denke der Griffverschluss könnte etwas sauberer gemacht sein, hier ist eine leichte Vertiefung sichtbar. Helle Kleberreste sucht man hier aber vergeblich. Sonst fällt mir da nichts ein…
Klingengeometrie
Aoki stellt (jedenfalls soweit ich weiß) keine Laser her, dafür traditionell gefertigte Messer mit IMHO guter ausgeglichener Geometrie, die wie ich zunehmend für mich feststelle durchaus in Sachen Schneidperformance mithalten können je nach Schnittgut und Schneidtechnik. Das AS Santoku ist – und das muss ich wirklich so sagen – dann doch erstaunlich dünn ausgeschliffen. Bei der hohen Härte (65 HRC) und dem als nicht unbedingt unkritischen Stahl hatte ich eher eine „normale“ Geometrie erwartet, vielleicht mit so 0,25-0,3mm hinter der Schneide.
Fehlanzeige…
…das Santoku ist extrem dünn ausgeschliffen. Ich möchte an dieser Stelle keine direkten Vergleiche ziehen, aber es ist sehr nagelgängig über die gesamte Klingenlänge. Ich denke nicht, dass es wirklich viel dünner geht, aber lassen wir doch (auf wiederholte Nachfrage) die Zahlen und Bilder sprechen (die Messwerte entstanden übrigens nach einem Neuschliff, der mit Sicherheit ein paar Zehntel in der Klingenhöhe reduziert hat):
Die Abweichung der Kurve „10mm vor Spitze“ begründet sich dadurch, dass der Messwert am Klingenrücken, also etwas über 10mm Höhe, aufgenommen wurde.
Kehlaufnahme solo
Kehlaufnahme im Vergleich zum Tokujho Warikomi Kurouchi Nakiri (links)
Kehlaufnahme im Vergleich zum Suisin Inox Honyaki 240mm Wa-Gyuto (rechts)
Natürlich musste das Messer auch den berüchtigten Möhrentest über sich ergehen lassen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es ein Messer gibt, was dort deutlich besser abschneiden kann. Food release ist anständig (wenn ich da auch ein paar Messer kenne, die das noch besser können), kein Knacken… saubere glatte Scheiben...
Demnächst werde ich mal ein besonders schönes und extremes Exemplar des Kamo Santoku testen, dem „Möhrenkiller“. Einen subjektiven Eindruck im Vergleich werde ich nachreichen…
Klingenprofil
Das Santoku ist mit seiner angegebenen Klingenlänge von 19,5cm etwas länger als die üblichen 18cm. Mir persönlich kommt dies sehr zu Gute. Insgesamt habe ich in der Woche sämtliche Schneidaufgaben (abgesehen von Brot und Schälarbeiten) mit dem Santoku erledigt und selten etwas vermisst. Das Profil ist relativ flach, hat aber doch genug Bauch um wenigstens ein wenig wiegen zu können. Zum Zug-/Druckschnitt und Choppen taugt diese Klingenform jedenfalls sehr gut.
Hier im Vergleich zum 180mm Tokujho Warikomi Kurouchi Nakiri (oben) und 180mm Carbonext Santoku (unten):
Der Stahl
Aogami Super hat bei Vielen den Ruf eines hervorragenden Klingenstahls, manche halten ihn grade zu für Divenhaft in seinem Verarbeitungs-, Schleif- und Ausbruchverhalten. Wie schon erwähnt hatte das Messer einige Gebrauchsspuren schon. Damit war leider nicht nur die übliche Patina gemeint, sondern insbesondere eine Reihe von mittelgroßen Ausbrüchen im mittleren Bereich der Klinge. Laut Aussage meines Kollegen ist er vorsichtig mit dem Messer umgegangen, hat nichts Kritisches geschnitten und ein Holzbrett verwendet. Meiner Meinung nach wurde es hier mit dem dünn ausschleifen etwas zu weit getrieben im Auslieferungszustand und eventuell auch nicht hoch genug „poliert“ (Stichwort Kerbwirkung)…
Hier ein Bild vorher:
Schnitthaltigkeit und Reaktivität
Aufgrund der Ausbrüche musste ich das Messer nach ein paar Testschnitten direkt am Anfang der Testphase einen neuen Grundschliff verpassen. Nach einer intensiven Session auf Chosera 600, Chosera 1000, Imanishi Bester 4000 und Ohira Toishi und dem Anbringen einer beidseitigen Mikrofase war das Messer sauscharf, egal wie man es definiert. Der Schneidfreude hat dies keinen großen Abbruch getan.
Hier ein Nachher-Bild (schon mit etwas Patina auf der Schneidfase):
Die Schnitthaltigkeit war absolut auf oberstem Niveau. Über die ganze nächste Woche intensivster Benutzung kam das Messer ohne weiteres Abziehen aus. Die Reaktivität der bisher von mir getesteten Aoki-Messer würde ich generell im mittleren bis niedrigen Segment einordnen. So verhält es sich auch hier. Anfangs und nach Neuanschliff gab es ein paar leichte Reaktionen mit roten Zwiebeln, das klang aber schnell ab.
Fazit
Man liest es vielleicht raus… selten hat mich ein Messer so begeistert wie dieses Aoki. Verarbeitungsqualität, Haptik, Schärfe, Geometrie, Standzeit… alles ist auf absolut höchstem Niveau. – der Preis nun mal leider auch… Einzig der für die extreme Stahlhärte etwas zu dünn ausgeführte Werksschliff trübt ein wenig das Bild. Nach dem Neuschliff gab es übrigens soweit ich gehört habe keinerlei Probleme mehr. Der Händler weist ausdrücklich darauf hin „Erfahrung mit japanischen Kochmessern aus Karbonstahl sollte bereits vorhanden sein. Wir empfehlen dieses Messer nicht für Schleifanfänger.“ – da könnte etwas dran sein.
So ein Messer verleitet einen einfach dazu zu schneiden... alles Mögliche...
Manchmal auch Dinge, die man sonst nie machen würde... wie z.B. eine Smörgastarta
Gäbe es das tolle Messer als Gyuto in über 240mm… ich würde wohl schwach werden
Nachtrag 5.2015:
kleiner Nachtrag zum Vergleich der beiden schneidfähigstens Santokus, welche mir bisher in die Hände gekommen sind. Dem Aoki AS Santoku und dem Möhrenkiller, dem Kamo-To Santoku (güNefs extremes Exemplar).
...und flint hat ja die Themen der Verarbeitung etc. hinreichend bearbeitet. Vergleiche hinsichtlich Materialwahl, Fertigungsverfahren oder Fit & Finish hinken auch schlicht, hier liegen die beiden Messer nicht in derselben Klasse... Deshalb möchte ich mich hier einfach mal auf eine simple Gegenüberstellung beschränken.
Beide Messer haben ähnlich viel Benutzung gesehen über die Wochen. Das Kamo (insbesondere beim Vergleich der Flanken) zeigte dabei eine deutlich geringere Reaktivität.
Von der Performance her muss ich - aufgrund meiner langwirigen Zweifel und Widerreden schon leicht schmerzhaft... - gestehen, dass das Kamo dem Aoki in nicht viel nachsteht. Dass es dem Aoki nachsteht, sowohl im Hinblick auf food release als auch Robustheit der Schneide und Standzeit, steht aus meiner Sicht außer Frage. Was die pure Schneidfähigkeit sind letztendlich jedoch nur Nuancen zwischen den beiden Messern auszumachen.
Ist nun das Aoki den doppelten Preis wert? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich für mich würde eher ein Aoki als zwei Kamos kaufen, aber das ist eher eine Frage der persönlichen Einstellung und Vorlieben. Man bekommt schon mehr Messer fürs Geld... und das eben nicht nur in Hinsicht auf Verarbeitung, Ästhetik und Tradition, sondern auch im Hinblick auf Performance. "Doppelt so hoch" ist diese natürlich nicht, aber wie in allen anderen Bereichen auch, bezahlt man natürlich je mehr man sich dem Optimum nähert für jedes kleine Quäntchen mehr einen deutlich höheren Preis...
Anders gesagt, hängt das hier getestete Kamo aber dennoch im Hinblick auf Schneidfähigkeit alles andere (außer vielleicht Takamura R2 oder vielleicht das Kotetsu... noch nicht getestet) mir bekannte unterhalb der 200€-Marke ab was ich kenne... kein Zweifel
Aktuell:
Wie ich eingangs erwähnte handelt es sich um das Messer eines Arbeitskollegen und Hobbykochs. Es ist nach wie vor sein einziges kostenintensiveres Küchenmesser und demnach auch regelmäßig im Einsatz. Er zieht das Messer regelmäßig auf einem feinen jap. Naturstein ab und kommt damit gut klar. Inzwischen geht er etwas vorsichtiger mit um aber scheint dennoch auch für die nicht so erfahrenen Nutzer ein gutes Messer für die ruhige Hobbyküche zu sein
Gruß, Gabriel
noch ein Review aus meinem Archiv (4.2015):
Aoki Aogami Super (AS) Wa-Santoku 19,5cm
Prolog
Disclaimer - das folgende Review ist relativ lang und enthält viel Text und viele Bilder und könnte bei nicht Küchenmesser-Verrückten zu Langeweile oder Desinteresse führen...!!!
Ein Nachteil daran Erfahrung mit zunehmend vielen hochklassigen Messern machen zu dürfen besteht meiner Meinung klar darin, dass man abstumpft... Es gehört einfach immer noch mehr dazu ein Lächeln oder gar ein begeistertes Grinsen auf das Gesicht zu zaubern. Waren da früher schon nahezu alle frisch und gut geschärften Karbonstahlmesser in der Lage, muss es inzwischen eben etwas besonderes sein. Viele Messer schaffen das nicht mehr…
Und um es gleich vorweg zu sagen, das Aoki hat es geschafft… und zwar ganz gewaltig…
Meine Erfahrungen mit den Messern der Marke Aoki waren bislang stets positiv. Vor einiger Zeit hatte ich ja schon dank eines freundlichen Mitgliedes hier Gelegenheit ein spiegelpoliertes Santoku von Aoki in Shirogami 1 zu testen. Dass ich von dem Messer sehr angetan war, kann man in meinem Review (Link) nachlesen. Vor ein paar Monaten habe ich mir dann mein erstes eigenes Aoki zugelegt, ein Tokujho Warikomi Kurouchi Nakiri (Review hier).
Als ein Arbeitskollege und ambitionierter Hobbykoch ein neues Santoku gesucht hat und dabei auch auf Aoki gestoßen war, war ich direkt sehr gespannt, welches es werden wird. Es wurde dieses Santoku hier in Aogami Super, dass er mir freundlicherweise für eine verlängerte Testwoche zur Verfügung gestellt hat.
Daten
Klingenlänge: 19,5cm (gemessen 198 mm)
Klingenhöhe: 45,5mm
Klingenstahl: Schneidlage Aogami Super mit ca. 65 HRC
Beidseitiger Anschliff
Griff: oktagonal aus Ebenholz mit Wasserbüffelhornzwinge
Gewicht: 182g (laut Händler)
„Hergestellt von "Dento-Kogei-shi"-Preisträgern: handgeschmiedet von Schmiedemeister Togashi, handgeschliffen von Schleifmeister Tosa.“
Verarbeitung & Finish
Das Messer kam bei mir nach ein paar Wochen Benutzung und schon den ersten Gebrauchsspuren – aber dazu später mehr – an. Die Verarbeitung ist wie man es von Aoki kennt und es bei dem aufgerufenen Preis von über 400€ auch erwarten kann nahezu perfekt. Im Gegensatz zum hier vorgestellten Spiegel-Santoku (Link sh. Prolog), kam die Klinge des AS nicht spiegelpoliert, sondern sehr fein satiniert und schon mit deutlicher Patina. Ansonsten gibt’s sich das Messer in Punkto Verarbeitung eigentlich keine Blöße. Das Kasumi-Finish der Klinge steht ihm sehr gut, der oktagonale Ebenholz-Griff ist astrein verarbeitet, die Einpassung der Hornzwinge nahezu ohne spürbaren Übergang.
Auch Kehl und Klingenrücken sind schön geschliffen (ok, der Kehl könnte noch etwas schöner sein...) wie es in der Preiskategorie wohl auch sein sollte. Die Klinge sitzt kerzengerade im Griff (auch nicht selbstverständlich).
Die Zwinge ist schwarz bis dunkelbraun und hat – zumindest auf der einen Seite – eine schöne streifenförmige Maserung. Natürlich ist es Geschmackssache, ich hätte mir hier eher eine Cremefarbene Zwinge mit brauner Maserung gewünscht aber schön ist diese hier auch.
Makel? Hm… ich denke der Griffverschluss könnte etwas sauberer gemacht sein, hier ist eine leichte Vertiefung sichtbar. Helle Kleberreste sucht man hier aber vergeblich. Sonst fällt mir da nichts ein…
Klingengeometrie
Aoki stellt (jedenfalls soweit ich weiß) keine Laser her, dafür traditionell gefertigte Messer mit IMHO guter ausgeglichener Geometrie, die wie ich zunehmend für mich feststelle durchaus in Sachen Schneidperformance mithalten können je nach Schnittgut und Schneidtechnik. Das AS Santoku ist – und das muss ich wirklich so sagen – dann doch erstaunlich dünn ausgeschliffen. Bei der hohen Härte (65 HRC) und dem als nicht unbedingt unkritischen Stahl hatte ich eher eine „normale“ Geometrie erwartet, vielleicht mit so 0,25-0,3mm hinter der Schneide.
Fehlanzeige…
…das Santoku ist extrem dünn ausgeschliffen. Ich möchte an dieser Stelle keine direkten Vergleiche ziehen, aber es ist sehr nagelgängig über die gesamte Klingenlänge. Ich denke nicht, dass es wirklich viel dünner geht, aber lassen wir doch (auf wiederholte Nachfrage) die Zahlen und Bilder sprechen (die Messwerte entstanden übrigens nach einem Neuschliff, der mit Sicherheit ein paar Zehntel in der Klingenhöhe reduziert hat):
Die Abweichung der Kurve „10mm vor Spitze“ begründet sich dadurch, dass der Messwert am Klingenrücken, also etwas über 10mm Höhe, aufgenommen wurde.
Kehlaufnahme solo
Kehlaufnahme im Vergleich zum Tokujho Warikomi Kurouchi Nakiri (links)
Kehlaufnahme im Vergleich zum Suisin Inox Honyaki 240mm Wa-Gyuto (rechts)
Natürlich musste das Messer auch den berüchtigten Möhrentest über sich ergehen lassen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es ein Messer gibt, was dort deutlich besser abschneiden kann. Food release ist anständig (wenn ich da auch ein paar Messer kenne, die das noch besser können), kein Knacken… saubere glatte Scheiben...
Demnächst werde ich mal ein besonders schönes und extremes Exemplar des Kamo Santoku testen, dem „Möhrenkiller“. Einen subjektiven Eindruck im Vergleich werde ich nachreichen…
Klingenprofil
Das Santoku ist mit seiner angegebenen Klingenlänge von 19,5cm etwas länger als die üblichen 18cm. Mir persönlich kommt dies sehr zu Gute. Insgesamt habe ich in der Woche sämtliche Schneidaufgaben (abgesehen von Brot und Schälarbeiten) mit dem Santoku erledigt und selten etwas vermisst. Das Profil ist relativ flach, hat aber doch genug Bauch um wenigstens ein wenig wiegen zu können. Zum Zug-/Druckschnitt und Choppen taugt diese Klingenform jedenfalls sehr gut.
Hier im Vergleich zum 180mm Tokujho Warikomi Kurouchi Nakiri (oben) und 180mm Carbonext Santoku (unten):
Der Stahl
Aogami Super hat bei Vielen den Ruf eines hervorragenden Klingenstahls, manche halten ihn grade zu für Divenhaft in seinem Verarbeitungs-, Schleif- und Ausbruchverhalten. Wie schon erwähnt hatte das Messer einige Gebrauchsspuren schon. Damit war leider nicht nur die übliche Patina gemeint, sondern insbesondere eine Reihe von mittelgroßen Ausbrüchen im mittleren Bereich der Klinge. Laut Aussage meines Kollegen ist er vorsichtig mit dem Messer umgegangen, hat nichts Kritisches geschnitten und ein Holzbrett verwendet. Meiner Meinung nach wurde es hier mit dem dünn ausschleifen etwas zu weit getrieben im Auslieferungszustand und eventuell auch nicht hoch genug „poliert“ (Stichwort Kerbwirkung)…
Hier ein Bild vorher:
Schnitthaltigkeit und Reaktivität
Aufgrund der Ausbrüche musste ich das Messer nach ein paar Testschnitten direkt am Anfang der Testphase einen neuen Grundschliff verpassen. Nach einer intensiven Session auf Chosera 600, Chosera 1000, Imanishi Bester 4000 und Ohira Toishi und dem Anbringen einer beidseitigen Mikrofase war das Messer sauscharf, egal wie man es definiert. Der Schneidfreude hat dies keinen großen Abbruch getan.
Hier ein Nachher-Bild (schon mit etwas Patina auf der Schneidfase):
Die Schnitthaltigkeit war absolut auf oberstem Niveau. Über die ganze nächste Woche intensivster Benutzung kam das Messer ohne weiteres Abziehen aus. Die Reaktivität der bisher von mir getesteten Aoki-Messer würde ich generell im mittleren bis niedrigen Segment einordnen. So verhält es sich auch hier. Anfangs und nach Neuanschliff gab es ein paar leichte Reaktionen mit roten Zwiebeln, das klang aber schnell ab.
Fazit
Man liest es vielleicht raus… selten hat mich ein Messer so begeistert wie dieses Aoki. Verarbeitungsqualität, Haptik, Schärfe, Geometrie, Standzeit… alles ist auf absolut höchstem Niveau. – der Preis nun mal leider auch… Einzig der für die extreme Stahlhärte etwas zu dünn ausgeführte Werksschliff trübt ein wenig das Bild. Nach dem Neuschliff gab es übrigens soweit ich gehört habe keinerlei Probleme mehr. Der Händler weist ausdrücklich darauf hin „Erfahrung mit japanischen Kochmessern aus Karbonstahl sollte bereits vorhanden sein. Wir empfehlen dieses Messer nicht für Schleifanfänger.“ – da könnte etwas dran sein.
So ein Messer verleitet einen einfach dazu zu schneiden... alles Mögliche...
Manchmal auch Dinge, die man sonst nie machen würde... wie z.B. eine Smörgastarta
Gäbe es das tolle Messer als Gyuto in über 240mm… ich würde wohl schwach werden
Nachtrag 5.2015:
kleiner Nachtrag zum Vergleich der beiden schneidfähigstens Santokus, welche mir bisher in die Hände gekommen sind. Dem Aoki AS Santoku und dem Möhrenkiller, dem Kamo-To Santoku (güNefs extremes Exemplar).
...und flint hat ja die Themen der Verarbeitung etc. hinreichend bearbeitet. Vergleiche hinsichtlich Materialwahl, Fertigungsverfahren oder Fit & Finish hinken auch schlicht, hier liegen die beiden Messer nicht in derselben Klasse... Deshalb möchte ich mich hier einfach mal auf eine simple Gegenüberstellung beschränken.
Beide Messer haben ähnlich viel Benutzung gesehen über die Wochen. Das Kamo (insbesondere beim Vergleich der Flanken) zeigte dabei eine deutlich geringere Reaktivität.
Von der Performance her muss ich - aufgrund meiner langwirigen Zweifel und Widerreden schon leicht schmerzhaft... - gestehen, dass das Kamo dem Aoki in nicht viel nachsteht. Dass es dem Aoki nachsteht, sowohl im Hinblick auf food release als auch Robustheit der Schneide und Standzeit, steht aus meiner Sicht außer Frage. Was die pure Schneidfähigkeit sind letztendlich jedoch nur Nuancen zwischen den beiden Messern auszumachen.
Ist nun das Aoki den doppelten Preis wert? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich für mich würde eher ein Aoki als zwei Kamos kaufen, aber das ist eher eine Frage der persönlichen Einstellung und Vorlieben. Man bekommt schon mehr Messer fürs Geld... und das eben nicht nur in Hinsicht auf Verarbeitung, Ästhetik und Tradition, sondern auch im Hinblick auf Performance. "Doppelt so hoch" ist diese natürlich nicht, aber wie in allen anderen Bereichen auch, bezahlt man natürlich je mehr man sich dem Optimum nähert für jedes kleine Quäntchen mehr einen deutlich höheren Preis...
Anders gesagt, hängt das hier getestete Kamo aber dennoch im Hinblick auf Schneidfähigkeit alles andere (außer vielleicht Takamura R2 oder vielleicht das Kotetsu... noch nicht getestet) mir bekannte unterhalb der 200€-Marke ab was ich kenne... kein Zweifel
Aktuell:
Wie ich eingangs erwähnte handelt es sich um das Messer eines Arbeitskollegen und Hobbykochs. Es ist nach wie vor sein einziges kostenintensiveres Küchenmesser und demnach auch regelmäßig im Einsatz. Er zieht das Messer regelmäßig auf einem feinen jap. Naturstein ab und kommt damit gut klar. Inzwischen geht er etwas vorsichtiger mit um aber scheint dennoch auch für die nicht so erfahrenen Nutzer ein gutes Messer für die ruhige Hobbyküche zu sein
Gruß, Gabriel