Vergleich Focus-Stacking-Softwares für Messerschneiden
Apr 2, 2018 14:43:09 GMT
JoergD, ipq, and 14 more like this
Post by stefan on Apr 2, 2018 14:43:09 GMT
Hiho,
habe mich in der letzten Zeit länger mit Focus-Stacking-Softwares beschäftigt und wollte hier mal so meine Erfahrungen/Ergebnisse speziell im Messerkontext zusammenfassen. Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen, falls er mal vor der gleichen Problematik steht.
Worum gehts?
Bei der Untersuchung von Messerschneiden unter dem Mikroskop gibt es ja verschiedene Möglichkeiten. Zum einen kann man die Klinge in einen passenden Holzblock einspannen oder z.B. hier so einen winkelvariablen Lego-Halter mit Neodymmagneten nutzen:
Ziel ist, Messerschneide nahezu orthogonal zur optischen Achse auszurichten, um die ganze Schneide "auf einmal" scharf betrachten zu können. Das ist mit Sicherheit im regulären Betrieb die schnellste Methode. Allerdings gibt es auch ein paar andere Fälle:
- Evtl. möchte man gerne mal ein Foto, auf dem auch der Klingenspiegel scharf ist (aus rein ästhetischen Gründen).
- Man verwendet ein Objektiv mit geringer Tiefenschärfe, sodass eine genaue Winkeleinstellung nötig wäre (generell nimmt die Tiefenschärfe mit steigender Vergrößerung ab).
- Man "missbraucht" ein normales aufrechtes Durchlichtmikroskop in Kombi mit einer Ikea-Jansjö-Lampe für Auflichtuntersuchungen und es ist praktischer, die Klinge platt auf den Tisch zu legen (bzw. bei großen Klingen aus Platzgründen die einzige Möglichkeit).
- Die Schneide ist ballig und nicht planar.
In solchen Fällen, wo man die Klinge einfach "platt" hinlegt, braucht man dann Focus-Stacking (für "EDF", extended depth of field):
Getestet wurden nun drei Freewares und zwei Bezahlsoftwares (als vollumfängliche Demoversionen):
(1) CombineZP (Freeware, letzte Version 6. Juni 2010, z.Zt. keine Weiterentwicklung).
(2) Picolay (Freeware, wird von Heribert Cypionka aktiv weiterentwickelt).
(3) ToupView (Freeware; eigentlich eine Kamerasoftware, hat auch eine EDF-Funktion).
(4) Helicon Focus (kommerziell).
(5) Zerene Stacker (kommerziell).
Test 1 (Hellfeld)
Das erste Testobjekt war ein Konosuke HD2 im normalen Hellfeld-Auflicht, einmal mit dem Werksschliff (sehr strukturreich ) und einmal nach einem ersten Neuschliff mit ~0.045-mm-Fase (kontrastärmer, wahrscheinlich eher der Regelfall für "unsere" Anwendungen).
Gestackt wurden 30 bzw. 57 Einzelaufnahmen, nachfolgend als Slideshow skaliert auf 20% (hätte sonst mit dem Upload nicht geklappt):
Hier die Resultate, die Bilder wurden zur Vergleichbarkeit in GIMP farblich normalisiert, sonst gab es keine weitere Nachbearbeitung.
(1) CombineZP:
Es gibt sechs verschiedene Algorithmen, die z.T. auch ganz ordentliche Ergebnisse liefern. Allerdings hatte das Programm zumindest bei mir mit (reproduzierbaren) Abstürzen zu kämpfen. In Kombination mit der Nicht-Weiterentwicklung würde ich es also nicht empfehlen und hab folglich hier auch keine Bilder hochgeladen.
(2) ToupView:
Werksschliff
geschärft
Im Standard-"Maximum Contrast"-Modus nicht schlecht und recht schnell.
(3) Picolay:
Werksschliff (Var. 1)
Werksschliff (Var. 2)
geschärft (Var. 1)
geschärft (Var. 2)
Die besten Ergebnisse habe ich mit einer "noise suppression" von 0 erhalten (Var. 1), sonst wird es zusehends unscharf. Das Programm erwartet die Bilder focusmäßig von oben nach unten, folglich hat es hier geholfen (Focus wandert bei mir von Schneide Richtung Messerrücken) zusätzlich die Reihenfolge umzudrehen und die unteren Bilder zu bevorzugen ("prefer low frames" = 50); ein Filter von 1 und "auto-enhance" hilft auch (Var. 2). Insgesamt hat mir hier von den Freeware-Programmen Picolay am besten gefallen, der (deutschsprachige) Entwickler ist auch über Mail und Foren zu erreichen. Allerdings findet man im Bild ab und zu ein paar Artefakte.
(4) Helicon Focus:
Werksschliff (A)
Werksschliff (B)
Werksschliff (C)
geschärft (A)
geschärft (B)
geschärft(C)
Helicon bietet drei verschiedene Modi an: A (gewichteter Mittelwert), B (Tiefenabbild) und C (Pyramide), was auch immer das genau bedeutet. Den Modus C fand ich nicht so toll, beide Bilder wirkten detailarm und unscharf. Die Methoden A und B haben jeweils mit einem "Halo" an der Schneidkante zu kämpfen. Beim Werksschliff war Methode A am besten (bei B war die Schneidkante unscharf). Im Gegensatz dazu war beim geschärften Messer Methode B besser als A, da sie detailreicher und anders als A keine unscharfen "Flecken" aufweist. Methode B liefert allerdings ringsherum um das Bild als Artefakt einen unscharfen Rand. Von der Benutzerfreundlichkeit und Oberfläche fand ich Helicon am besten (ok, den "auf-Facebook-teilen"-Knopf hätts jetzt nicht gerade gebraucht).
(5) Zerene Stacker:
Werksschliff (DMap)
Werksschliff (PMax)
geschärft (DMap)
geschärft (PMax)
Zerene hat zwei Methoden (DMap und PMax), bei ersterer muss zudem noch manuell ein Prozentwert festgelegt werden. Mir gefiel "DMap" besser. Allerdings hat PMax weniger mit einem Halo an der Schneidkante zu kämpfen und bekommt manche feine Details besser raus, wirkt dafür aber irgendwie "fleckig". Insbesondere bei DMap lohnt es sich, nachher eine Schärfung per GIMP (oder Photoshop wers hat) vorzunehmen. Der Halo an der Schneidkante kann mit der Retouchierfunktion behoben werden (dabei wird ein definierter Ausschnitt aus einem ausgesuchten Bild des Focusstapels drüberkopiert). Insgesamt fand ich Zerene von allen fünf Programmen am besten und sehr artefaktfrei.
Die finalen Ergebnisse sehen dann so aus:
Test 2 (Dunkelfeld)
Danach habe ich mir dann auch noch folgenden Stack eines alten schrubbeligen Rasiermessers angeschaut (59 Frames, 35%-Skalierung):
Es handelt sich hier um eine Dunkelfeldaufnahme, d.h. sehr hoher Kontrast. Die Ergebnisse sollten z.T. auch auf Polarisationsfotos übertragbar sein, da hier ja auch einzelne helle Linien auf dunklem Grund auftreten (ohne Gewähr, Pol hab ich ja leider nicht).
Hier kann man es relativ kurz machen:
(1) CombineZP:
Ist wieder außen vor.
(2) ToupView:
Bild
Starker Halo, insb. an der Schneidkante, nicht hübsch.
(3) Picolay:
Bild
Besser mit weniger Halo ("suppression" = 0 und "smart filter"), allerdings ein paar Artefakte und wirkt im Vergleich teilweise unscharf.
(4) Helicon Focus:
Bild (B)
Bild (A)
Bild (C)
Ich habe hier versucht an den Parametern herumzudrehen, allerdings ist das Bild entweder unscharf (A), hat starke Artefakte an der Schneide (B) oder deutliche Halos (C).
(5) Zerene:
DMap (Standard)
DMap (optimiert)
PMax
PMax ist hier nicht gut und DMap in den Standardeinstellungen auch nicht. Durch Erhöhung des "estimation radius" von 10 auf 65 und des "smoothing radius" von 5 auf 32 ließ sich allerdings eine deutliche Verbesserung erreichen, das Ergebnis gefällt mir von allen Programmen mit Abstand am besten. Die etwas überbelichtete Schneidkante könnte man eventuell mit mehreren Belichtungen und HDR (high dynamic range) verbessern, aber darum hab ich mich jetzt nicht gekümmert.
Mit etwas Nachschärfen sieht das Resultat dann so aus:
Fazit
- Im Freewarebereich finde ich Picolay gut (suppression = 0, filter = 1, auto-enhance, evtl. Bilder nahe Schneidkante bevorzugen lassen). Insbesondere für Hellfeldaufnahmen nicht verkehrt.
- Am besten ist m.M.n. (leider, da kostenpflichtig) Zerene Stacker. Das funktioniert im Hell- wie Dunkelfeld gut (wahrscheinlich auch für Pol), wobei im letzteren Fall die Parameter wie oben genannt angepasst werden müssen. Die DMap-Bilder sollten außerdem dezent geschärft werden, da sie sonst flau wirken können.
So, das wars
Stefan
PS: Bei den Programmen gibt es z.T. recht viele Parameter, wahrscheinlich kann man da an einigen Stellen noch etwas mehr rausholen. Also insofern hier alles nur meine 0.02 EUR ... !
habe mich in der letzten Zeit länger mit Focus-Stacking-Softwares beschäftigt und wollte hier mal so meine Erfahrungen/Ergebnisse speziell im Messerkontext zusammenfassen. Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen, falls er mal vor der gleichen Problematik steht.
Worum gehts?
Bei der Untersuchung von Messerschneiden unter dem Mikroskop gibt es ja verschiedene Möglichkeiten. Zum einen kann man die Klinge in einen passenden Holzblock einspannen oder z.B. hier so einen winkelvariablen Lego-Halter mit Neodymmagneten nutzen:
Ziel ist, Messerschneide nahezu orthogonal zur optischen Achse auszurichten, um die ganze Schneide "auf einmal" scharf betrachten zu können. Das ist mit Sicherheit im regulären Betrieb die schnellste Methode. Allerdings gibt es auch ein paar andere Fälle:
- Evtl. möchte man gerne mal ein Foto, auf dem auch der Klingenspiegel scharf ist (aus rein ästhetischen Gründen).
- Man verwendet ein Objektiv mit geringer Tiefenschärfe, sodass eine genaue Winkeleinstellung nötig wäre (generell nimmt die Tiefenschärfe mit steigender Vergrößerung ab).
- Man "missbraucht" ein normales aufrechtes Durchlichtmikroskop in Kombi mit einer Ikea-Jansjö-Lampe für Auflichtuntersuchungen und es ist praktischer, die Klinge platt auf den Tisch zu legen (bzw. bei großen Klingen aus Platzgründen die einzige Möglichkeit).
- Die Schneide ist ballig und nicht planar.
In solchen Fällen, wo man die Klinge einfach "platt" hinlegt, braucht man dann Focus-Stacking (für "EDF", extended depth of field):
Getestet wurden nun drei Freewares und zwei Bezahlsoftwares (als vollumfängliche Demoversionen):
(1) CombineZP (Freeware, letzte Version 6. Juni 2010, z.Zt. keine Weiterentwicklung).
(2) Picolay (Freeware, wird von Heribert Cypionka aktiv weiterentwickelt).
(3) ToupView (Freeware; eigentlich eine Kamerasoftware, hat auch eine EDF-Funktion).
(4) Helicon Focus (kommerziell).
(5) Zerene Stacker (kommerziell).
Test 1 (Hellfeld)
Das erste Testobjekt war ein Konosuke HD2 im normalen Hellfeld-Auflicht, einmal mit dem Werksschliff (sehr strukturreich ) und einmal nach einem ersten Neuschliff mit ~0.045-mm-Fase (kontrastärmer, wahrscheinlich eher der Regelfall für "unsere" Anwendungen).
Gestackt wurden 30 bzw. 57 Einzelaufnahmen, nachfolgend als Slideshow skaliert auf 20% (hätte sonst mit dem Upload nicht geklappt):
Hier die Resultate, die Bilder wurden zur Vergleichbarkeit in GIMP farblich normalisiert, sonst gab es keine weitere Nachbearbeitung.
(1) CombineZP:
Es gibt sechs verschiedene Algorithmen, die z.T. auch ganz ordentliche Ergebnisse liefern. Allerdings hatte das Programm zumindest bei mir mit (reproduzierbaren) Abstürzen zu kämpfen. In Kombination mit der Nicht-Weiterentwicklung würde ich es also nicht empfehlen und hab folglich hier auch keine Bilder hochgeladen.
(2) ToupView:
Werksschliff
geschärft
Im Standard-"Maximum Contrast"-Modus nicht schlecht und recht schnell.
(3) Picolay:
Werksschliff (Var. 1)
Werksschliff (Var. 2)
geschärft (Var. 1)
geschärft (Var. 2)
Die besten Ergebnisse habe ich mit einer "noise suppression" von 0 erhalten (Var. 1), sonst wird es zusehends unscharf. Das Programm erwartet die Bilder focusmäßig von oben nach unten, folglich hat es hier geholfen (Focus wandert bei mir von Schneide Richtung Messerrücken) zusätzlich die Reihenfolge umzudrehen und die unteren Bilder zu bevorzugen ("prefer low frames" = 50); ein Filter von 1 und "auto-enhance" hilft auch (Var. 2). Insgesamt hat mir hier von den Freeware-Programmen Picolay am besten gefallen, der (deutschsprachige) Entwickler ist auch über Mail und Foren zu erreichen. Allerdings findet man im Bild ab und zu ein paar Artefakte.
(4) Helicon Focus:
Werksschliff (A)
Werksschliff (B)
Werksschliff (C)
geschärft (A)
geschärft (B)
geschärft(C)
Helicon bietet drei verschiedene Modi an: A (gewichteter Mittelwert), B (Tiefenabbild) und C (Pyramide), was auch immer das genau bedeutet. Den Modus C fand ich nicht so toll, beide Bilder wirkten detailarm und unscharf. Die Methoden A und B haben jeweils mit einem "Halo" an der Schneidkante zu kämpfen. Beim Werksschliff war Methode A am besten (bei B war die Schneidkante unscharf). Im Gegensatz dazu war beim geschärften Messer Methode B besser als A, da sie detailreicher und anders als A keine unscharfen "Flecken" aufweist. Methode B liefert allerdings ringsherum um das Bild als Artefakt einen unscharfen Rand. Von der Benutzerfreundlichkeit und Oberfläche fand ich Helicon am besten (ok, den "auf-Facebook-teilen"-Knopf hätts jetzt nicht gerade gebraucht).
(5) Zerene Stacker:
Werksschliff (DMap)
Werksschliff (PMax)
geschärft (DMap)
geschärft (PMax)
Zerene hat zwei Methoden (DMap und PMax), bei ersterer muss zudem noch manuell ein Prozentwert festgelegt werden. Mir gefiel "DMap" besser. Allerdings hat PMax weniger mit einem Halo an der Schneidkante zu kämpfen und bekommt manche feine Details besser raus, wirkt dafür aber irgendwie "fleckig". Insbesondere bei DMap lohnt es sich, nachher eine Schärfung per GIMP (oder Photoshop wers hat) vorzunehmen. Der Halo an der Schneidkante kann mit der Retouchierfunktion behoben werden (dabei wird ein definierter Ausschnitt aus einem ausgesuchten Bild des Focusstapels drüberkopiert). Insgesamt fand ich Zerene von allen fünf Programmen am besten und sehr artefaktfrei.
Die finalen Ergebnisse sehen dann so aus:
Test 2 (Dunkelfeld)
Danach habe ich mir dann auch noch folgenden Stack eines alten schrubbeligen Rasiermessers angeschaut (59 Frames, 35%-Skalierung):
Es handelt sich hier um eine Dunkelfeldaufnahme, d.h. sehr hoher Kontrast. Die Ergebnisse sollten z.T. auch auf Polarisationsfotos übertragbar sein, da hier ja auch einzelne helle Linien auf dunklem Grund auftreten (ohne Gewähr, Pol hab ich ja leider nicht).
Hier kann man es relativ kurz machen:
(1) CombineZP:
Ist wieder außen vor.
(2) ToupView:
Bild
Starker Halo, insb. an der Schneidkante, nicht hübsch.
(3) Picolay:
Bild
Besser mit weniger Halo ("suppression" = 0 und "smart filter"), allerdings ein paar Artefakte und wirkt im Vergleich teilweise unscharf.
(4) Helicon Focus:
Bild (B)
Bild (A)
Bild (C)
Ich habe hier versucht an den Parametern herumzudrehen, allerdings ist das Bild entweder unscharf (A), hat starke Artefakte an der Schneide (B) oder deutliche Halos (C).
(5) Zerene:
DMap (Standard)
DMap (optimiert)
PMax
PMax ist hier nicht gut und DMap in den Standardeinstellungen auch nicht. Durch Erhöhung des "estimation radius" von 10 auf 65 und des "smoothing radius" von 5 auf 32 ließ sich allerdings eine deutliche Verbesserung erreichen, das Ergebnis gefällt mir von allen Programmen mit Abstand am besten. Die etwas überbelichtete Schneidkante könnte man eventuell mit mehreren Belichtungen und HDR (high dynamic range) verbessern, aber darum hab ich mich jetzt nicht gekümmert.
Mit etwas Nachschärfen sieht das Resultat dann so aus:
Fazit
- Im Freewarebereich finde ich Picolay gut (suppression = 0, filter = 1, auto-enhance, evtl. Bilder nahe Schneidkante bevorzugen lassen). Insbesondere für Hellfeldaufnahmen nicht verkehrt.
- Am besten ist m.M.n. (leider, da kostenpflichtig) Zerene Stacker. Das funktioniert im Hell- wie Dunkelfeld gut (wahrscheinlich auch für Pol), wobei im letzteren Fall die Parameter wie oben genannt angepasst werden müssen. Die DMap-Bilder sollten außerdem dezent geschärft werden, da sie sonst flau wirken können.
So, das wars
Stefan
PS: Bei den Programmen gibt es z.T. recht viele Parameter, wahrscheinlich kann man da an einigen Stellen noch etwas mehr rausholen. Also insofern hier alles nur meine 0.02 EUR ... !