Hallo,
Curiosity killed the cat! und natürlich habe ich gleich beim Auspacken der beiden Wetzgeräte mein altes Taschenmesser drei- oder viermal durch den Rapid Steel Action gezogen. Danach die Schneide angefühlt: "Gute Güte, ist die rau!"
An meine guten Messer kommen die Raubeine daher nicht heran, aber ich habe ein 17 cm "Kochmesser" aus gutem altem 1.4034, das für die Tests hier gerade das richtige ist.
Das erste, was mir sonst auffiel war, dass die Wetzstäbe im Rapid Steel nicht richtig eingesetzt waren, was sich auch in den
Bildern von Severus oben schon erkennen lässt.

Durch den zu hoch sitzenden linken Wetzstab treffen sich die Stäbe nicht mittig.

Na also, nun passt's.
Aber nach ein paar Hundert Zügen sah es bei mir dann auch wieder so aus wie oben. Der linke Stab rutscht durch die Benutzung heraus.
Noch etwas war mir nach ein paar hundert Zügen dann langsam klar. So langsam müsste der Bewegungsablauf "sitzen", aber statt eines flüssigen Bewegungsablaufes habe ich durchaus auch ein paar "Kampfspuren" hinzugefügt, wie sie ebenfalls schon bei severus oben zu sehen sind. Ich habe einige male mit der Spitze den Kunststoff getroffen. Einfacher als wetzen ist das für mich nicht. Weder in der Halterung noch im Handgriff. Es ist eher umgekehrt.
Es ist möglicherweise bemerkenswert, dass in den Messungen mit dem Wetzstab Titan meine Standardabweichung beim Abtrag geringer ausgefallen ist, als mit dem Rapid Steel. Überraschendes Ergebnis.

Kampfspuren
Noch ein Aspekt ist das Einfädeln der Klingenferse (heel tip).

Messer ohne Bart wollen so gar nicht zum Rapid Steel passen.

Die Klingenferse hakt sich zwischen den Stäben ein und nichts geht mehr.
Die Hinterkante der Schneide blieb mir beim entsprechenden Test oft am hinteren rechten Wetzstab hängen und rutschte dann bloß an den Stäben herunter, die dabei natürlich die Schneide in dem Bereich ruinieren. Da ich die Klingenhinterkante gern benutze und entsprechend bis in die Ecke scharf halte kann ich mit dem Rapid Steel nichts anfangen. Ich brauche einen Wetzstahl, mit dem ich die Hinterkante sauber schärfen kann. Der Rapid Steel ist bei mir 'raus aus der Wertung.
Beim Titan Wetzstahl war mein erster Eindruck, dass der mit seinem mattgrau sehr schön daherkommende Wetzstahl sich gleichmäßig rau anfühlt, etwa wie ein "Nail buffer", eine sehr feine Nagelfeile.
In der Beschreibung des Rapid Steel Action steht ebenfalls etwas von einer "Spezialbeschichtung" und tatsächlich sieht die Oberfläche etwa so aus, wie die des Titan und fühlt sich auch etwa so an. Ein klein wenig rauer sogar, aber bei den kleineren Durchmessern der Stäbe hat man ja auch eine höhere Flächenpressung.
In der Beschreibung des Titan (Dickoron Broschüre) steht, das er mit einer "
superharten Spezialbeschichtung" ausgestattet ist, "
3x härter als Standard".
Etwa dreimal härter als hartverchromt und mattgrau wäre dann mutmaßlich Titancarbid, dass damit härter ist als Korund, härter als viele Carbide in hochlegierten Stählen und damit wirklich eine andere Ansage, als Hartchrom, den einige Carbide durchaus auch ankratzen können.
Und nun möchte ich Eindrücke und messtechnische Erkenntnisse gewinnen.
Extra dafür habe ich die "Vierstellige" aufgebaut, die 1/10 mg Waage mit einem Messbereich bis 200 g, so dass mein etwas über 110 schweres Messer auch hineinpasst. Dafür habe ich den aerodynamischen Schutzraum der Waage durch einen Anbau so erweitert, dass die Klinge hineinpasst.

Ein Messer mit 111,4175 g in der Analysewaage.
Ich habe ich das Messer mit jedem Stahl je wenigstens 500 x je Seite abgezogen "so, wie ich es als normal empfinde" und zwischendurch immer den Substanzverlust (Abrieb) bestimmt. Neben dem Rapid Steel Action und dem Titan treten weiterhin an:
- "normaler" abrasiver Keramikwetzstab
- Dick Saphirzug (Classic, oval)
- Dick Microfeinzug (Micro, oval)
- Dick Poliron (Polierzug, oval)
Und hier die Ergebnisse:
Name | Abtrag über 200 Züge (100 je Seite) Mittelwert [mg] | Abtrag über 200 Züge (100 je Seite) Standardabweichung [mg] | Abtrag je Zug über 1 cm Klingenlänge [ng/cm] | Vielfaches bezogen auf Saphirzug |
Rapid Steel Action | 3,88 | 1,04 | 1188 | 67,5 |
Titan | 3,66 | 0,77 | 1076 | 61,1 |
Keramikstab | 0,92 | 0,30 | 271 | 15,4 |
Saphirzug | 0,06 | 0,11 | 17,6 | 1 |
Micro | n.n. | n.n. | n.n. | 0 |
Poliron | n.e. | n.e. | n.e. | 0 |
Zur Einheit ng/cm: das sind Nanogramm je cm. Damit ist die Klingenlänge herausnomalisiert.
Der Materialverlust je Zug ist beim Rapid Steel Action 67,5 mal so hoch, wie beim Saphirzug. Und was bekomme ich dafür?
Beim
Rapid Steel Action und beim
Titan gab es keinen Anflug von Haarbiss. Unterarmhaare rasieren geht nicht. Vergiss es. Das ist kein Messer.
Beim
Keramikwetzstab kann man einen Anflug einer Tendenz von Haarbiss erahnen. Unterarmhaare wachsen unbeeindruckt weiter. Das ist nicht scharf. Vergiss es.
Beim
Saphirzug gibt es einen Anflug von Haarbiss. Mit Glück, Geduld und vielen Schnitten kann man Armhaare abrasieren. Toll ist das Ergebnis bei dem Messer hier auch nicht.
Beim
Micro geht die Sonne auf. Haarbiss, Armhaare können rasiert werden, wenn ich da auch schon ganz anderes erlebt habe.
Beim
Poliron habe ich eine echte Überraschung erlebt, denn nach dem Micro verliert das 1.4034 Messer mit dem Poliron ganz eindeutig und deutlich Haarbiss und Schneidleistung.
Das muss dann wohl am 1.4034 liegen, denn bei Microcarbidstählen bemerke ich kaum einen Unterschied zwischen den beiden Wetzstählen. Immer wieder erstaunlich, was da so alles von was abhängt.
Der Micro sticht hier ganz eindeutig aufs angenehmste aus der Menge heraus. Kein Materialverbrauch und mit Abstand die beste Schneide.
Zum "n.n." (nicht nachweisbar) beim Abtrag des Micro:
Nach den ersten 400 Zügen wollte das Gewicht par tout nicht mehr kleiner werden. Im Gegenteil. An der Grenze zur Nachweisbarkeit schien das Gewicht des Messers mit dem Micro über je 400 Züge eher tendentiell zuzulegen. Was ist da los? Nun hatte ich bei tausenden Zügen ja Zeit, ein wenig zu grübeln. Da der Messergriff erheblich leichter ist als Stahl (das Material der Gewichte der Mettler H5) hat das Messer einen ein größeres Volumen und daher einen höheren Luftauftrieb als die Gewichte und erscheint also ohne Luftauftriebskorrektur um so leichter, je höher die Luftdichte ist... Also um so schwerer, je geringer die Luftdichte ist.

Irgendwo "mittendrin"
Schnell zum Barometer und zum Luftdruckschrieb für den Tag und jepp: Ich finde einen deutlich fallenden Luftdruck.
Ich "messe" hier die Luftdichte, nicht die Masse des Messers!Mit Luftauftriebsschwankungen die ganz eindeutig größer sind als ein möglicher Abtrag über mehr als 1000 Zuge erkläre ich den Abrieb am Messer beim Micro als "Nicht nachweisbar". Beim Poliron habe ich es dann gar nicht erst probiert, also "Nicht ermittelt" bzw. n.e.
Sollte der Micro irgendeinen Abtrag haben, dann müsste das wohl mit einer iterativen Volumen- und Massenbestimmung des Messers für die hinreichend genaue Luftauftriebskorrektur und über viele 10000 Züge ermittelt werden. Das darf dann gern jemand anderes zeigen.
Für mich und "praktisch" erzeugen Micro und Poliron keinen Materialabtrag, aber die besten Schneiden.
Edit:
Ich habe den Luftdruckeinfluss dann einmal nachgerechnet. An dem Tag war der Luftdruck über 8 Stunden von 1020,8 auf 1019,1 um 1,7 mbar gefallen. Die CIPM Luftdichte sank von 1,1746 kg/m³ (bzw. mg/cm³) auf 1,1726 um 0,002 mg/cm³ was bei 100 cm³ Volumen für das Messer eine Verringerung des Luftauftriebes von 0,2 mg entspricht, also zwei Skalenteilen der Mettler H5.
In dieser Drift, die ich bemerkt hatte, kann sich wahrlich kein nennenswerter Materialabtrag verstecken.
Gruß: KWie